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Hauptstück.
Viertes
eben so darf sie sich im Halbkreise 1 wenden und senkrecht mit
beiden Enden auf dem Kämpfer aufsitzen. Ein Rahmen gliedert
sich überhaupt nicht sowohl mit Beziehung auf horizontale und
vertikale Verhältnisse, die obwalten mögen, als mit Beziehung
auf den Mittelpunkt des Eingerahmten. Theile des Rahmens
stehen nicht aufwärts noch liegen sie, sondern umschliessen mikro-
kosmisch das Eingerahmtc. Ihre Ordnung ist die der planimetri-
sehen Regelmässigkeit und Eurhythmie. (Siehe 21, S. 29 und
Einleitung.) Man hat auch hier wieder nur die hergebrachten
Ansichten umzukehren, um auf den richtigen Thatbestand zu
kommen. Das Antepagment, das, simsartig gebildet, ganz seiner
Bestimmung als Rahmen entspricht, ist als solcher, als Rahmen
nämlich, einer weit älteren Kunstform angehörig als der von dieser
selben älteren Kunstform abgeleiteten des Architravs, der auch
nur ein modificirter Rahmen ist, und, wie weiter oben gezeigt
wurde, ebenfalls aus dem Antepagmente hervorging.
Die Form des Architravs ist zwar die eines Antepagments,
daraus folgt aber keinesweges dass letzteres in seiner Anwen-
dung als Archivolte ein gebogener Arehitrav sei.
( Die Benutzung des Schnittes der Bogenkeile als Dekoration
Bund Ersatz für die Archivoltenbekleidung ist, so wie überhaupt
der Fugenschnitt, ein Charakterzug des ausgebildeten Stiles und
wurde in tuskanisch-römischer Zeit nicht in der Wohnungsbau-
kunst, sondern nur für die Unterbaue und für grossartige Nutkz-
bauten, wie Mauern, Brücken, Wasserleitungen, Emissäre u. d. m.
Verwandt , an denen dieser männliche Schmuck vieles zu
der mächtigen, fast schauerlichen, Wirkung beiträgt, die jene
Werke, welche den Jahrtausenden trotzten, hervorbringen. Eben
so ist das Stützen der Mitte des Architravs über dem Bogen-
scheitel durch letzteren, oder vielmehr durch eine als Schlussstein
eingefügte Konsole nicht ursprünglich, sondern eine geistvolle Er-
findung der schon durch hellenischen Geschmack influencirten
Zeit. Dem Auge des alten Tuskers und Römers war diese
Zwischenstütze kein Bedürfniss, da es durch die hölzernen Archi-
trave der Tempel an die Weitsäuligkeit gewöhnt war, wobei in
Beziehung auf letztere zu bemerken ist dass auch bei ihnen
höchst wahrscheinlich, (Vitruv bemerkt nichts darüber, sowie über-
haupt in seinem ganzen Buche der Bogen kaum erwähnt ist,)
' Kuglefs Handbuch der Kunstgeschichte, 3te Auflage, Seite 192.