484
Hauptstück.
Viertes
immer nur den Eindruck einer durchbrochenen Mauer, einer Art
von Brücke, wie der Pont du Gard, hinter der meinetwegen ein
Riese sich einnistete.
Diese Kombination ist nicht nur traditionell, sie ist zugleich
durchaus rationell und gleichsam naturnothwendig. Es ist für
unsere Aesthetik und unsere Kunstgeschichte, die besonders für
römische Kunst der Revision bedarff bezeichnend genug, dass
sie inidieser italischen Verbindung der Säulenordnung mit der
ßogemnauer "eine Dekoration zu welcher das System der helle-
nischen Architektur seine Formen hergeben musste" oder eine
Zweispaltigkeit, eine "Konvenienzheirath, die aus Rüeksichten
äusserer Zwcckinäissigkeit geschlossen wurde," und dergleichen
andere für die alte Republik schmeichelhafte Dinge erkennt, oder
in den Säulen griechische Jungfrauen sieht, die die Römer
als Sklavinnen wegführten, „edelgeborne zwar, die aber durch
den gezwungenen Dienst im fremden Hause, dessen Gesetze nicht
die ihrigen, eine Trübung ihrer ursprünglichen Anniuth und
Heiterkeit erfahren haben." Diess alles, wenn noch so schön
erfunden, hindert nicht mit der Behauptung hervorzutreten, dass
durch die Verbindung der Bogenwand mit der Wandsäule die
Aufnahme der Decke und des Dachwerkes durch die Mauer auf
ursprüngliehere und zugleich auf rationellere Weise vermittelt
wird als diess bei der griechischen Cellamauer der Tempel ge-
schieht, die für das ästhetisch gebildete Auge den auf ihr ruhen-
den Architrav von einer Ante bis zur andern ununterstützt lässt,
was die griechischen Architekten sehr wohl fühlten und was sie zu
allerhand schwankenden Auskunftsmitteln veranlasste, deren keines
die Schwierigkeit oder den Widerspruch allseitig genügend löst.
1111 allen neuen deutschen Handbüchern der Kunstgeschichte und der
Geschichte der Baukunst schliesst sich dic cloaca maxima unmittelbar an die
Baukunst unter Augustus, als wenn nichts dazwischen läge! Das republika-
nische Rorn, dessen edle Bauiiherreste, wenn auch noch so selten, dennoch
genügen um aus ihnen einen Stil zu erkennen der seine eigene hohe Be-
rechtigung hat, der von Griechenland weit unabhängiger ist als angenommen
wird, und in vielem, besonders in der Profilfeinhcit und Einzelndurchfiihrung
weit über dem Stile des Augustus steht, wird beinahe gänzlich unberücksichtigt
gelassen, Von dem ältesten erhaltenen Beispiele einer Arkadenarchitektur mit
Halbsäulen, dem für die Entwicklnngsgeschichte dieser architektonischen Form
so wichtigen 'l'ahularium, (von Q. Lutatius Catulus im Jahr R. 676 erbaut),
wie von den Tempeln zu Cora. und von den anderen wenigen Ueberresten aus
der republikanischen Zeit ist in keinem der erwähnten Ilandhücher die Rede_