Textile
Kunst.
Vollendeter
Stil.
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Die andere Möglichkeit, dass nämlich der Zusatz des Mar-
mors an dem alten Prinzipe der Dekoration nichts änderte, dass
dieser Stoff gewählt wurde, theils wegen seiner Festigkeit, sodann
aber vorzüglich wegen seines feinen, festen und milden Kornes,
das ihn zu besonders genauer und scharfer Bearbeitung eignet,
drittens aber allerdings auch wegen seiner blendenden durchschei-
nenden Weisse, wclch' letztere Eigenschaft allein die Griechen be-
wegen konnte, bei diesem Stoffe die uralte Koniasis, die Stuckhaut,
die mit Marmorstaub gemacht wurde, (eine Benützung des gedach-
ten Materials die weit alter ist als die der Marmorstufen und Mar-
morblöcke zum Bauen) nicht anzuwenden, sondern unmittelbar
auf dem Steine die mit der Koniasis unzertrennliche Malerei auszu-
führen, diese Möglichkeit ist die einzige, die ich statuiren kann
und zwar nach genauem und langjährigem Forschen an den Monu-
menten und in Folge der Anschauung die ich mir von der Kunst
des Alterthumes im Allgemeinen gebildet habe. Sie wird zugleich,
ich wiederhole diess, durch die Aussagen der Schriftsteller, wenn
man sie nicht ausser ihrem Zusammenhange, sondern, wie sichs
gehört, in Verbindung mit dem allgemeineren Inhalte der Stellen
wo sie vorkommen eitirt, vollkommen bestätigt. 1
Die akrolithen Marmortempel (um den einmal gebrauchten
uneigentliehen Vergleich beizubehalten) waren. nun die Vorläufer
der ganz aus Marmor siolid ausgeführten Monumente, in denen der
hellenische Baustil erst seine Emancipation von dem Materiellen
vervollständigte; Nun trat zugleich mit" dem Marinorstile aller-
dings eine mächtige Revolution in Beziehung auf Farbenschmuek
ein, über welche es auch an Nachrichten und Andeutungen bei
den Alten nicht fehlt, nämlich die Einführung und Verbreitung
der enkaustischen Malerei, allgemeiner dort, wo diese Kunst im
Gefolge der Architektur den eigentlich dekorativen Schmuck be-
sorgt, weniger allgemein in ihrer eigenen Wirkungssphäre, und
gleichzeitig ein Üebergang von der Oligochromie des Polygnot
zu der Polychromie der Pamphilos und Pausias, von dem ge-
tragenen Terrakottastile der Wanddekoration, wie sich davon die
meisten Spuren in Italien und Sicilien erhielten, zu dem reich-
färbigen Schmucke der enkaustisch dekorirten Marmortempel
Athens! Auch die Skulptur folgt dieser polychromen Richtung,
der konventionellen Färbung der Statuen und Basreliefs der alten
1 Siehe hierüber den Schluss dieses Hauptstückes.