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Hauptstück.
Viertes
Die Megalographie, 1 d. h. die historische Wandmalerei, und
das damit verbundene polychrome Fläehenornament hatten ihre
höchste Aufgabe erfüllt und waren vielleicht schon in Beziehung
auf Adel des Stils im Sinkenlbegriffen, wie nach den Perserkriegen
unter Kimon und etwas später unter Perikles die Kunst der
Athener ihren glanzvollsten Aufschwung nahm. Wie in der Re-
naissance die höchsten Leistungen des Raphael und Michelangelo
zugleich den erhabensten Gipfel und die erste Verfallsstufe der
Künste bezeichnen, genau dasselbe erkennt man fast noch ent-
schiedener an den Monumenten, den Bildnereien und den Male-
reien der Glanzperiode hellcnischer Kunst! Diese Wendung äus-
sert sich in den Künsten am schlagendsten in einer auffallenden
Tendenz zur Rückkehr zu den technischen Proceduren der Früh-
zeit und des Orients, die sich sogar schon darin bemenklich
macht dass Phidias, Polyklet und die Zeitgenossen und Nach-
folger dieser Männer der Toreutik und dem Sphyrelaton vor dem
Metallgusse und der Marmorskulptur den Vorzug geben, über-
haupt wieder die in der Frühzeit der Griechen beliebte Kolossal-
statue in Aufnahme bringen.
Diese Zeit der Kunstreife führte auch den Marmor eigentlich
erst in die Architektur ein, obschon er in einzelnen Fällen schon
früher in Anwendung gekommen War, wie z. B. an dem Olym-
pium der Pisistratiden. Es ist auch hier die Frage, ob in der
Einführung des Marmors als Baustoff nicht gleichfalls eine Remi-
niscenz des alten heroischen Marmorstiles zu erkennen sei.
Der weisse Marmor wurde aber nicht wegen seiner Farbe ge-
wählt, Wenigstens nicht damit diese, das Weiss2 nämlich sich
1 "Die Wandgemälde waren in der Zeichnung durchaus vollkommen und
„in den Farbenzusammenstellungen angenehm, in allem entfernt sich haltend
"von dem geschmückten Stile der sogenannten Kleinwaare!" sagt Dionys von
Halicarnassos in einem von Angele Maio erhaltenen Fragmente. Dionys.
Hal. frag. XVI. 6 ed. Maji. Mich wundert, dass eigentlich niemand ernstlich
die Autorität dieses Ausspruchs dem bekannten plinianischen: nulla gloria
artificum est nisi eorum qui tabulas pinxere, entgegengestellt hat.
2 Das Weiss wurde häuüg sowohl auf dem teetorium wie später auf der
Marmorliäche besonders mit weisser Kreide aufgesetzt. Die beste
Kreide kam aus Aegypten, sie hiess Paraetonion, von welcher Plinius sagt, sie
halte am besten auf dem Stuck; tectoriis tenacissimum propter laevorem.
(XXXV. 6.) Diese beweisen auch die Wände und Decken der griechischen
und etrurischen Gräber, sowie das Weisswerk zu Pompei.