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Viertes Hauptstück.
ner dekorativen Bedeutung erkannt, aber er betrilft zugleich das
innerste Wesen der antiken Kunst und führt erst zu, ihrem Ver_
ständniss. Ein architektonisches Werk kann ohne seine richtige
Farbenergänzung gar nicht in seinem wahren Sinne gedacht und
aufgefasst werden, das Wesen der Formen ist durch die Farben
bedungen; eine dunkle Säule z. B. muss anders kannclirt und
anders prolilirt sein als eine helle' oder gar weisse; letztere er-
heischt tiefe Schatten auf ihrer Oberfläche, dagegen darf die
dunkle Säule, wie etwa die porphyrenc gar nicht kannelirt we1-_
den; andererseits gestatten jetzt ihrer ursprünglichen Blärbung be-
raubte Formen Rückschlüsse von ihnen auf ihre ehemalige Farbe
zu machen: hiernach ist es a priori wahrscheinlich dass die tigf
kannelirte ionische Säule ein helleres Kolorit hatte als die flach
kannelirte dorische, wie es auch die Ueberrestc von Farben an
ihnen bestätigen.
Doch ist es beinahe unnöthig hier Einzelnes zu berühren, da
dieses ganze der Bekleidung in ihrer Anwendung auf Baukunst
gewidmete Hauptstück nichts anderes bezweckt als diesen Zu-
sammenhang zwischen Form und Farbe nachzuweisen.
Es sei zunächst von alt-griechischen Mauern die Rede, die
nicht aus weissem Marmor sondern aus anderen Baustoffen aus-
geführt und mit Stuck überzogen sind, von solchen aus der Früh-
zeit der hellenischen Kunst, wozu ich die meisten in Poros aus-
geführten Tempel rechne, deren sich noch eine erhebliche An-
zahl erhielten. Keine von diesen Poroswänden aus verhältnissmässig
frühhellenischer Zeit, Wo immer sie sich finden, ist ohne Spuren
ehemaligen Stucküberzuges, und obschon Farben nur noch schwach
und nicht immer wahrgenommen werden so sind Anzeichen ihres
früheren Vorhandenseins dennoch nicht selten. Beispiele: die
Cellawände der selinuntischen Tempel mit Stuck und Farben-
resten. 1 Die Wände des Tempels zu Aegina, innerlich und von
aussen mit feinem geschliffenem und zinnoberroth gebeiztem Stuck
überzogen, nach Wagnefs Berichte über die äginetischen Gie-
bel und eigener Anschauung. Die äussere Cellawand des noch
archaischen Tempels von Metapont, nach dem Herzoge von Luy-
n.es mit gelblichem Stuck geglättet, entsprechend dem Tone der
1 Hittorff, Temple
Falco, über Sieilien.
lind Monumens
düämpeäocle
de
1a
Sicile.
di
Serra.