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etwas auszudrücken wofür die deutsche Sprache kein äquivalentes Wort
hat, nämlich das Hervortreten gewisser formaler Bestandtheile einer Er-
scheinung aus der Reihe der übrigen, wodurch sie innerhalb ihres Be-
reiches gleiehsam zu Chorführern und sichtbaren Repräsentanten eines
einigenden Prinzips werden. Zu den Autoritäten verhalten sich die übri-
gen Elemente der im Schönen geeinigten Vielheit wie mitklingende, mo-
dulirende und begleitende Töne zum Grundtone. Gemäss der oben ge-
gebenen Theorie gibt es drei formale Autoritäten, nämlich:
1) Eurhythmiseh-symmetrisehe Autorität,
2) Proportionale Autorität, -
3) Riehtungsautorität.
Als vierte Autorität höherer Ordnung tritt noch die des Inhalts
hinzu. Diese besteht in dem Vorherrschen einer der drei MOÖiÜkGIiOIIBH
des Schönen bei ihrem Zusammenwirken.
Von der eurhythmischen Autorität.
Die Eurhythmie ist, wie gezeigt wurde, entweder stereometrische
_gd_er planimetxdsche Symmetrie. Unter den stereometriseh regelmässigen
Formen sind die Kugel und alle regelmässigen Polyeder bis zum Tetraeder
hinab zwar allseitig symmetrisch, doch ohne symmetrische Autorität.
Letztere zeigt sich zuerst am Ellipsoid oder Oval, am Hexaeder oder dem
doppelten mit der Basis verbundenen 'l'etra.eder, am Prisma, an der
Pyramide u. s. W. in der gesetzlichen Ungleichheit gewisser Dimensionen.
Die planimetrische Symmetrie (Eurhythmie im eigentlichen Sinne)
zeigt sich an den Sclmeekrystallen, an den Blumen, auch an Pflanzen
und Bäumen überhaupt. Bei diesen Gebilden der Natur Wirkt das Ge-
setz der Autorität in der Verdichtung der Theile in der näch-
sten Umgebung des Mittelpunkts der regelmässigen Figur, den
sie umkreisen, umstrahlen , oder theils umkreisen theils umstrahlen.
Farbenkontraste zwischen den der Mitte nächsten und den übrigen Theilen
der Form unterstützen diese Wirkung.
Das
Mal.
Die vereinzelte Einheit als Gegensatz zu der eurhythmischen Reihe,
die erstere umgibt, ward als Versinnlichung der Autorität und desIn-
begrifflichen bereits von dem dunklen Klinstgefühle der ersten Menschen
aufgefasst, und mit wunderbarem Instinkt au richtiger Stelle angewandt.
Das roheste Bestreben sich zu schmücken geht zum Theil aus die-
sem dunkelgeahnten Prinzipc der Autorität hervor. Das Gesßhmüßkte ißt
das Mal des Schmuekes. '
1 Vßrgl. den Aufsatz des Verf. über den Schmuck, Züriflh bei Meyer
und Zeller, 1856; einzeln als Brochüre und in der Monatsschrlft des WISWW
schaftlichen Vereins in Zürich, Heft 3.