Volltext: Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 125 in den Text gedr. Holzschn. und 15 farb. Tondrucktaf (Bd. 1)

Textile 
Kunst. 
und 
Phönikien 
J udäa. 
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hätte jemals geahnt dass zur Zeit des Kyrcs oder kurz nach ihm 
Kleinasien eine Bildnerschule hatte die schon zu einer Zeit wie 
in dem eigentlichen Hellas die Skulptur gleichsam noch in den 
Windeln lag in lebendigster Dramatik des Dargestellten, in 
freiester Behandlung des Nackten und der Draperie, in der Be- 
meisterung des Stoffs endlich einen Standpunkt erreichte der 
schon jenseits der Kunsthöhe liegt, daher weit mehr an Sko- 
pas kecken Meissel als an den höheren Stil der Phidias und 
Polyklete erinnert. Noch helfen sich unsere Kunsthistoriker in 
Betreff ihrer aus der Verlegenheit, indem sie ihr hohes Alterthum 
leugnen, die thatsächlichen Zeugen ihres frühen Wirkens in die 
späten Zeiten des dritten Jahrhunderts verlegen, sie mit kurzen 
Bemerkungen gleichsam als horsdbeuvres und curiosa der Kunst- 
geschichte abfertigen. Mit der Zeit aber wird sich unser auf 
Plinius, Pausanias und der Philostratus armselige Notizen haupt- 
sächlich begründetes System der Kunstgeschichte bequemen müs- 
sen den Thatsachen gegenüber zu weichen. 1 
Von den judäischen und phönikischen Altert-hümern haben sich 
nur äusserst wenige Wirkliche Spuren erhalten, unter diesen sind 
ausserdem die meisten und merkwürdigsten sehr zweifelhaften Ür- 
sprungs, wie z. B. die mit den angeblich keltischen Monumenten des 
europäischen Westens sehr verwandten Steinkammern im Gebiete 
des alten Karthagof und die aus einer ähnlichen Konstruktions- 
weise bestehenden rohen Tempelhöfe welche sich auf der Insel 
Malta und der benachbarten Insel Gozzo erhalten haben. An ihnen 
1 Unter diesen Denkmälern ist das sogenannte Harpagosmonument, wel- 
ches odenbar einen Sieg der Barbaren über eine hellenische Stadt feiert, in 
Rücksicht auf die Vollendung und den Stil der Skulpturen höchst wichtig, aber 
nicht das bedeutendste von dem im Text Berührten. Noch meisterhafter und 
lebendiger sind die Reliefs auf den beiden lykisehen Grabmonumenten, die 
im britischen Museum gemeinsam mit den Resten des genannten Sieges- 
monumentes, dem berühmten Harpyengrabe- und den verschiedenen andern 
trelflichen Skulpturen "aus Lykien aufgestellt sind. Unter letztern zeichnen 
sich auch besonders die beiden halbkauernden Löwinnen aus, die unter den 
Trümmern der Burg des alten Xanthos gefunden wurden und die sich auf den 
Zinnen der von! dem persischen Feldherrn bedrohten Stadt, auf einer der 
Friesplatten des Siegesmonumentes klar und unzweifelhaft abgebildet, wieder- 
finden. Diese Löwinnen sind demnach Werke aus viel früherer Zeit als der- 
jenigen, in welcher Xanthos von den Persern eingenommen wurde. 
2 Siehe Barth, Wanderungen durch die Küstenländer des Mittelmeeres 1. 8. 
230 H. und Revue Areheologique 1. pag. 566.
	        
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