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Hauptstück.
Viertes
wickelt sich daran in höchst bemerkenswerther Weise, sozusagen
von Innen nach Aussen, das heisst, was früher den Halt der
Struktur gab und dem das metallene Kleid wenig mehr als
Schmuck war, der hölzerne Kern nämlich, überträgt seine
Fhlnktionen an die umgebende Schale und verschwindet; letztere
vereinigt in sich beides, das struktive und das formale hdoment!
So werden "Strukturschema" und "Kunstschema" 1 iden-
tificirt und der organische Gedanke, der in Helles
seine ideale Anwendung in der Baukunst erhält, ist
hier schon in realer Weise ausgesprochen. Alles ist
fertig, es fehlt nichts als der belebende Prometheusfunken!
Ich würde nicht so lange bei der Kunst und speziell bei dem
Geräthewesen der Assyrier verweilt sein wäre nicht der ge-
naueste Zusammenhang des letzteren mit der Säulenordnung, wie
sie sich bei diesem Volke entwickelte, erwiesen, und wäre ich nieht
überhaupt von der Wichtigkeit der Aufschlüsse, die uns die jetzt
erst entdeckten Alterthümer Mesopotamiens in Beziehung auf all-
gemeine Stiltheorie gewähren, überzeugt.
Die Existenz der Säulen, ja vollständig durchgebildeter Säulen-
ordonnanzen, in der assyrischen Baukunst ist erwiesen, obschon
von ihnen nur einzelne Bruchstücke sich erhielten, die aber hin-
reichen um meine Behauptung dass sie nach dem Vorbilde der
assyrischen Geräthe auf ihrem Entwieklungsgange aus dem
vollkernigen Holzstile in den tubulären Metallstil
übergingen zu bestätigen, wobei es am Ende nicht gerade
wesentlich ist genau zu wissen welchen Punkt sie auf dieser
Richtung erreichten und bis zu welchem Grade sich die bezeich-
nete Metamorphose bei ihnen realisirte.
Die aufgefundenen Säulenbruchstücke, sämmtlich aus Bronze,
sind identisch mit Bestandtheilen der Säulen von Perse.
polis ; 2 nur das frappante Motiv des Gabelkapitäls , das so
1 Der Unterschied zwischen meiner Anschauung der griechischen Tek-
tonik und derjenigen die Herr Prof. Bötticher in seinen Hellenicis erkennen
lässt ist hier ausgesprochen. Ich werde Gelegenheit haben, das hier Auge-
deutete zu motiviren.
2 Im Athenäus (XII, cap. 8) wird der Thron des Perserköniges beschrie-
ben. Der Thron worauf er Gericht hielt war golden; ihn umstanden viel.
goldene mit Edelsteinen besetzte Säulen, über welchen ein buntgestiekger
Pllfpurbaldachin ausgespannt war. Das zu Seite 236 gegebene Detail eihßs
Kapitäls gehörto aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer solchen Baldachinsäule