Volltext: Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 125 in den Text gedr. Holzschn. und 15 farb. Tondrucktaf (Bd. 1)

Textile Kunst. 
Assyrien. 
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Fähigkeit des Stützens und das Aufrechte eines Ständers erhält 
einen lebendigen Ausdruck dadurch, dass ich ihm diejenigen For- 
men leihe die in der animalischen Welt Aehnliches verrichten.  
Das Bein stützt, der Kopf hält sich oben, somit brauche ich nur 
diese beiden Symbole um das worauf es ankommt treffend" und 
kurz zu bezeichnen. So auch dient der Rücken mancher Hausthiere 
zum Tragen; es liegt daher nahe den tragenden Gliedern, nämlich 
den horizontalen Balken über den vertikalen Ständern, eines Ses- 
sels zum Beispiel, eine entfernte Aehnlichkeit eines Thierrückens 
zu geben. 
Dass man hierbei gewisse Schranken des guten Geschmacks 
zu beobachten habe, leicht zu weit gehn könne, beweisen 
die naturalistisch aufgefassten und doch steifen thiergeformten 
Sessel und Lagerbetten der Aegypter. Auch die Assyrier waren 
in dieser Beziehung weit entfernt von griechischer Geschmacks- 
höhe, durch barokes unorganisches Verbinden heterogener Be- 
standtheile animalischer Formen, was die nüchternen Aegypter ver- 
mieden, sündigten sie gegen die formellen Schönheitsregeln; ihre 
Formen und Gebilde sind schwerfällig, mehr schreckhaft als schön, 
und zeugen von geringem Fortschritte in der höheren Kunst; 
dennoch konnte griechische Kunstblüthe wohl aus ähnlichem 
phantastischen Gewächse, nicht aus dem rationalistisch vertrock- 
neten Stamme ägyptischer Kunst hervorgehn. 
Der gute Geschmack, sowie der gesunde Sinn, will vor allem 
dass man von dem Analogon oder Vorbilde nur diejenigen Eigen- 
schaften und Merkmale heraushebe die den Gedanken der vor- 
liegt verbildlichen, alles Indiiferente sowie vornehmlich alles 
Frappante, was dem Vorbilde eigen ist, aber nicht sprechen soll, 
dagegen weglasse, damit nicht zu viel gesagt und dadurch der 
Sinn der ausgedrückt werden soll verdunkelt werde. So z. B. 
würde ein Gefäss oder sonstiges Geräth das auf Füssen stände, 
die die vollständig natürliche Gestalt von Thieren hätten, die 
noch dazu im Akte des Laufens oder Davonspringens gebildet 
wären, nicht mehr als Bewegbares sondern als wirklich Laufen- 
des symbolisirt sein, was im Allgemeinen nicht in der Absicht 
liegen kann, obschon Fälle vorkommen wobei diese Absicht 
motivirt ist. Sie lag Peter Vischern im Sinne indem er sein 
Sebaldusgrabmal , dessen Grundmotiv eine Leichenbahre ist, 
auf Schnecken stellte. Weit edler fasste denselben Gedanken der
	        
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