XXXI
Während die Pllanze als Ganzes eigentlich nur für das Auge sym-
metrisch, aber in Wirklichkeit eurhythmisch ist, tritt die faktische Sym-
metrie in sehr lehrreicher, wenn schon im Einzelnen schwer zu lösender
Gesetzlichkeit an den einzelnen Theilen der Pflanze auf.
Ein Ast wachse rechtwinklicht (ohne Neigung gegen den Horizont)
aus dem Stamme hervor, er sei verzweigt, und die Zweige laufen in
Blätter aus, die farrenkrautartig getheilt sind, deren Theile wieder aus
kleineren Blättern bestehen, so vorräth sich an diesen verschiedenen
Theilen des Baumes, wenn man jeden Theil als ein Gesondertcs, als
Individuum nimmt, die Abhängigkeit vom Ganzen in der symmetrischen
Anordnung ihrer Untorglieder.
Für den Ast, als Ganzes betrachtet, ist der Stamm zunächst das
Gleiche was für den Stamm die Erde ist, nämlich der nächste makro-
kosmisehe Bezug, der sich in der Gleiehvertheilung der Verzweigungen
und der Laubmassen des Astes in Rücksicht auf den Stamm zeigt. Zugleich
findet ein unmittelbarer Bezug des Astes zu dem Erdmittelpunkte statt,
dem er in der Anordnung und Massenvertheilung seiner Unterglieder gleich-
zeitig Folge leisten soll. Bei horizontalen Verästungen ist in F olge dieser
Doppelbedingung die erfüllt werden muss die Massenvertheilung nicht mehr
eurhythmiseh (rings um den Ast herum), wie bei dem Hauptstamme, der nur
einfachen Bezug zum Mittelpunkt der Erde hat, sondern symmetrisch,
mit horizontaler symmetrischer Axe, die den Ast rechtwinklicht schneidet.
Bei den Zweigen, Blättern und Blatttheilen, wenn man jedes für sich be-
trachtet, ist überall das gleiche dynamische Gesetz thätig; wonach immer
der nächste Bezug zu dem, aus welchem das Einzelne unmittelbar hervor-
wäehst, und der allgemeine Bezug zur Erde, vermöge der Massenattraktion
und der Schwere, die Gestaltungsmomente der Symmetrie sind.' Alle
diese Theile haben jeder nur eine symmetrische Axe, die immer hori-
zontal und reehtwinklieht auf dasjenige gerichtet ist, worauf der Theil zu-
nächst wurzelt. Die Symmetrie des Blattes z. 4B. projectirt sich als Linie auf
einer Durehschnittsebene, die den Stengel rechtwinklicht schneidet und
mit dem Hauptstamme (der senkrecht ist) parallel läuft. Gleieherweise
ordnen sich viele Blätter je nach dem Charakter der Pdanzen ver-
schiedentlich, aber immer s ymmetriseh um den Zweig und zwar
gleichfalls nach horizontal linearisehem Gleiehgewiehtsgesetze. Es folgt
daraus, dass der Zweig mit seinem Blattwerk eine Fläche bilden muss,
gleich dem Blatts.
Alle mehr horizontal verzweigten Bäume, z. B. die Ceder, die Akazie
1 Dieses Gesetz tritt besonders deutlich hervor an den Pflanzen der Ur-
welt und ihren noch lebenden Abkümmlingen, den Farren, Schachtelhalmen,
Palmen und dergL, wogegen die späteren Metamorphosen des Pflanzentypus
statt der Symmetrie des Oefteren Massengleichgewicht zeigen.