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Viertes
Hauptstück.
lung der Alten, ja selbst aus gleichzeitigen Urkunden, wenn an-
ders die Entziiferungen dieser letzteren zuverlässig sind. Dennoch
hat sich keine Spur von Säulen erhalten, mit Ausnahme einiger
steinerner Piedestale oder Basen, die WahrSCheinliCh einstmals
Säulen oder säulenartige Stelen trugen und einiger sehr interes-
santer Bronzedetails, die mit Wahrscheinlichkeit für Bekleidungen
und Zierrathe hölzerner Säulen gehalten werden. Die Ursache,
der Abwesenheit jeglicher Spur von Säulen unter den ausgedehn-
ten vieldurchstöberten Ruinenbergen Ninivds und Babylons be-
ruht nämlich darauf dass sie theils aus Holz und Metall theils
aus Backstein ausgeführt waren und längst wieder in ihre B6-
standtheile aufgelöst sind.
Die Säule war in dem Baustile der uns jetzt beschäftigt ihrem
Ursprunge noch viel näher, durch monumentale Auffassung und
durch Üebersetzung ihrer Grundform in fremde Stoffe noch weni-
ger metamorphosirt, als bei irgend einem anderen uns bekannten
antiken Baustile; sie war in dieser Beziehung einigermassen ver-
gleichbar mit dem was sie in China und in Indien blieb, nämlich
ein lilittelding ZWlSClIBIX einem Möbel und einem festen Archi-
tekturtheile, aber in dieser Qualifikation als Uebergangsform weit
schärfer bezeichnet und edler durchgebildet als es in jenen ost-
asiatischen Baustilen der Fall ist.
Als Ilausrath war sie mit ihrem Gebälk nothwendig noch
prinzipiell abgelöst vom Hause, nicht mit ihm in struktivem Zu-
sammenhange, wenigstens der Idee nach; sie war desshalb auch
ausschlicsslich innerlich, entwickelte sich in hypostyler, nicht
aber in peristyler Anordnung; Es sind nirgend Anzeichen vorhan-
den dass die Säulen anders dienten als erstens in dem Inneren eines
umschlossenen Hofraumcs zum Tragen einer Schutzdecke oder
zweitens als Zwischenträger zwischen einem Paar hervortretenden-
Orthostaten (Anten). In beiden Fällen fungirt die Säule und
charakterisirt sie sich so wohl für sich allein wie in Verbindung
mit dem Getragenen anders als z. B. bei dem griechischen peripte-
ren Tempel. Wir werden auf diesen Unterschied, der mit der
Verschiedenheit zwischen der dorischen und ionischen Ordnung
zusammenhängt, an seiner Stelle zurückommen.
In ihrer Eigenschaft als Zwischenform zwischen dem Möbel
und der monumentalen Säule dürfen wir sie füglich im Zusammen-
bange mit dem Hausrathe der Assyrier, den wir genauer kennen,