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Kristallbildungen, die sich von dem All vollständig abschliessen und
Wahre Mikrokosmen sind, in sich genügenden Bestand, so dass sich die
Möglichkeit ihres Seins auch ausser der Welt in ihrer Form ausspräche,
Sie haben daher nicht die Art formaler Vollkommenheit niederer Orr]-
nung, die den regelmässig geschlossenen Figuren eigen ist; aber sie
sind diejenigen in welche die organische Natur sich kleidet, indem sie
dabei ein höheres Gesetz des einheitlichen Zusammenwirkens befolgt
Zum Verständniss des symmetrischen Gesetzes genügen daher nicht mehr
jene zierlich starren Schneekrystalle, die für das rhythmische Gesetz und
dessen Zusammenhang mit dem ersteren so lehrreich sind; vielmehr
tritt die Symmetrie in wahrer Bedeutung und grösster Mannigfaltigkeit,
in Verbindung mit der Proportionalität, zuerst bei den Pflanzenge-
bilden hervor.
Dabei ist merkwürdig dass Beginn und Ende des Pflanzenlebens
wieder durch in sich abgeschlossene Mikrokosmen repräsentirt sind, näm-
lich durch die kugelähnliche Pflanzenzelle, die Blume, die Frucht. Nur
die Piianze in ihrem Wachsthum hat makrokosmischen Bezug, und bei
ihr entwickelt sich zugleich das Leben, das im Koniiikt mit jenem
makrokosmischen Bezuge als Gestaltungsprinzip, nämlich als das
Prinzip der Proportionalität, sich bethätigt.
Doch sei hier zunächst das symmetrische Gesetz, wie es im
Pflanzenleben herrscht, in möglichst gesonderte Betrachtung gezogen;
Die Pflanze als Individuum und als Ganzes betrachtet, entwickelt
sich vertikal aufwärts, als Theil eines Erdradius, aus ihrem KeinL
Die Erhaltung dieser Richtung ist abhängig von der Massenvertheilung
der Aeste, Zweige, Blätter, Blumen und Früchte, die sich rings um
den Stamm, oder, wo dieser fehlt, um die Vertikale, die den Schwer.
punkt enthält, so ordnen dass dem allseitigen Gleichgewicht genügt sei
Diese Ordnung ist daher eine eurhyth mische, deren Gesetz aus der
planimetrischen Figur des Grundplanes hervorgeht, die einer sternförmh
gen regelmässigen Kristallbildung ähnelt. Erst in ihrer Vertikalprojektion,
d. h. auf der Netzhaut des Beschauers, ist das Bild der Pflanze sym-
metrisch. Die Ordnung der Glieder der Gestaltung nach vertikaler
Richtung (bei dem Baume das Ansetzen der Zweige) wird dabei von dem
Gesetze des Gleichgewichts in so fern unabhängig bleiben, als es für
letzteres ganz ohne Einfluss ist, ob ein bestimmter Ring von Aesten,
die einander in Bezug auf den vertikalen Stamm das Gleichgewicht haL
terl, oben oder unten am Stamme über oder unter andern gleichfalls
einander die Wage haltenden Systemen hervorwachse.
Daraus folgt, dass bei allen Pflanzen und bei allen Gebilden der
Natur und der Kunst, die hierin gleicher Gesetzlichkeit gehorchen, Sym-
metrie im Sinne der Vertikalausdehnnng nicht stattfindet,