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Viertes
Hauptstück.
Musste nicht schon die leichte Zersetzbarkeit des Alabasters,
der, im frischen Bruche Weiss, der Luft exponirt bald einen
dunkelgrauen hässlichen Ton annimmt , Anlass sein ihn mit
einem Ueberzuge zu schützen, da wir hören dass selbst die
Reliefs und Inschriften der Felswände von den assyrischen
Bildnern mit kieselhaltigem Firniss, also mit Wasserglas, über-
zogen wurden, um sie vor Verwitterung zu schützen und zu-
gleich von Ferne sichtbarer und lesbarer zu machen, da wir
wissen dass selbst das Gold, Welches für dekorative Zwecke stark
mit Kupfer legirt sein mochte, mit resinösen Lasuren und durch-
sichtigen Farben überzogen wurden um seinen Glanz zu mässigen
und den Umständen gemäss zu reguliren, zugleich aber um dessen
Kupfergehalt vor der Oxydation zu schützen.
Doch sehe ich die Sache von einer andern minder utilitari-
sehen Seite an und glaube in diesem angeblich schützenden Ueber-
zuge der Skulptur vielmehr das Wesen, in dem skulptirten
Steine nur das „B ody" der sichtbar realisirten Kunstidee zu
erkennen. Nicht weil der Alabaster mürbc ist und leicht ver-
wittert überzog man ihn mit Farben, sondern vielmehr weil die
Skulpturen jedenfalls mit der herkommlichen Enkausis oder Far-
beninkrustation zu bedecken waren, berücksichtigte man bei der
Wahl des Stoffes nicht dessen Luftbeständigkeit und Festigkeit
sondern vielmehr dessen durchsichtiges mildes Weiss, das, wenn
unter einem transparenten Laeküberzuge geschützt, sich lange
hält und einen günstigen Grund für Lasurfarben bildet, vornehm-
lieh aber die Zartheit und Weiche seiner Textur, die dem Bild-
hauer angenehme und bequemeArbeit gestattet.
Noch deutlicher tritt diessVerhältniss zwischen der Bekleidung
und dem Bekleideten an dem assyrischen Mauerwerk selbst
heraus; denn man nahm offenbar nur Luftziegel für die Mauern,
weil diese doch bekleidet werden sollten, und es nicht auf
Festigkeit des gewählten Stoffes gegen atmosphärische Ein-
fiüsse ankam, da er diesen gar nicht ausgesetzt werden sollte.
Die entgegengesetzte Anschauung der Sache, als sei die In-
krustation ein Schutzmittel für den Erdwall ist nicht stillogisch.
Daher das Vorherrschen der Luftziegelmauern in späterer assyri-
scher Zeit, wie man festere Stoffe zu den Inkrustationen benützte,
und dem gegenüber das häufigere Antreffen urältester Konstruk-