Textile Kunst.
Assyriän.
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Rangordnung und despotischer Hofetikette) zeigt sich diese Kunst
hier gefesselt, aber nicht zur Mumie einbalsamirt und so
gänzlich versteinert wie in Aegyptßn, WO Sie Wßbl berechneten
und unabänderlichen hieratischen Satzungen gehorchen musste.
Daher ist jene zwar gleichsam wie mit einem imsichtbaren
Kanevas umstrickt und in ihrer freien Entwicklung iiusserlich ge-
hemmt, vom Stickrahmen beengt, aber bei alledem das Naturß
wahre erstrebend und nach Freiheit ringend; diese dagegen ist
nicht durch materiellen äusseren sondern durch geistigen inneren
Zwang gebunden und hält sich freiwillig innerhalb derjenigen
Schranken, die sie in technischem Sinne längst überwand.
Bei aller Ungeschicktheit und Steifheit stellen jene assyrischen
Gestalten doch wenigstens sich selbst dar, geben sie das mehr
oder weniger gelungene Bild einer Handlung oder einer Situation,
sind sie nicht, wie die ägyptischen Bilder, kalligraphische Zeichen,
konventionelle Formeln einer lapidarischen Urkundenschrift, ge-
malte Chronik. Dort zeugen hartausgedrücktes Muskelwerk, wie
mit Zwirnfäden umzogene Kontouren, Vorherrschen des ornamen-
talen Beiwerkes und der gestickten Gewänder sowie manches-
andere von dem technischen Ursprunge der Kunst aus der Textrin,
von primitiver unbeholfener Auffassung und von kindlicher
Uebertreibung, aber nicht von todter Manier; letztere herrscht
dagegen in dem ägyptischen Stile und zwar vorzüglich in dem
Stile der Skulptur und Malerei der Tempel und grossartigen
Palastanlagen, der sich sofort durch diesen Umstand allein, nicht
als ein primitiver, sondern vielmehr als ein raffinirter und
später ausweist, mögen auch die Werke an denen er hervortritt
an geschichtlichem Alter zu den frühesten gehören deren Spuren
sich erhielten und um ganze Jahrtausende über die ältesten Werke
Assyriens hinausragen.
In Betreff der Polychromie des assyrischen Basreliefs herrschen
Meinungsverschiedenheiten und Zweifel, die schwerlich jemals
ganz beseitigt werden können. Meiner Ueberzeugung nach muss-
ten die Alabastertafeln wie ihre Vorbilder die ausgespannten
Teppiche, mit denen bei gewissen Festen die unteren Theile der
ausserdem mit Malerei oder Boiserie bekleideten Wände umstellt
wurden, in reicher Farbenpracht dem allgemeinen Charakter der
asiatischen Baukunst entsprechen, deren polychromer Reichthum
von den klassischen Schriftstellern gerade vorzugsweise und wie-