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Hauptstück.
Viertes
Das Räthselhafteste ist nun die Art des Brennens die dabei
Statt fand. Meiner Ueberzeilgung nach musste man die auf ebe-
nem Boden geordneten und numerirtenl ungebrannten Ziegel,
nachdem sie als gemeinschaftliche Bildfläche gemalt werden wa-
ren, auseinander genommen und in gleicher Ordnung wieder zur
Bekleidung der Lehmmauern vertikal zusammengefügt haben,
Als hierauf die Wand, nämlich die ganze innere oder äussere Be.
kleidung eines Raumabschlusses, aufgeführt war, musste man ihr
eine Gluth nahe bringen, die hinreiehte die sehr leichtflüs-
sige Glasurfarbe in Schmelz zu verwandeln und zugleich der
Wand aus Lehmziegeln eine dünne Terrakottakruste zu geben.
Es fand eine Enkausis im eigentlichsten und vielleicht ältesten
technischen Sinne dieses Ausdrucks Statt und die Wasserglas ähn-
liche, leichtHiissige, Kieselverbindung womit man malte war in
der That selbst nach ihren chemischen Eigenschaften dem in der
späteren Enkausis angewandten Wachse ein äusserst nahe ver.
wandter Stoff. 2 Die Wachsemaille wurde wahrscheinlich erst er-
funden und benützt für Stoffe, die starkes Feuer nicht ver-
trugen, für Elfenbein, Marmor und dcrgL, und bedurfte für das
leicht verbrennliche Holz noch einer ganz besonderen Her-
stellungsweise, bei der das Wachs vorher geschmolzen und flüssig
gemacht, oder auch in flüchtigen Oelen aufgelöst, als Bindemittel
der Farben und Ueberzug mit dem Pinsel aufgetragen ward. Viel.
leicht war die allerältcste Enkausis die des Erdpeches und ward
man erst von dieser auf das Emailliren der Ziegel geführt.
Obige Hypothese über das Glasiren ganzer bereits mit Malerei
überzogener Luftziegehvände und dadurch erreichtes oberfläch-
liches Erhärten der Thonmasse durch Feuer hatte ich in meiner
kleinen Schrift "die vier Elemente der Baukunst" sowie in verschie-
denen in englischer Sprache erschienenen Aufsätzen bereits vor
mehreren Jahren ausgesprochen. Nicht wenig war ich später über-
rascht sie durch babylonischc Urkunden, deren Entdeckung und
Mittheilung wir dem um die Erforschung der orientalischen Alter-
1 Die zu Nimrud gefundenen emaillirteu Ziegel waren alle auf der hin-
tern Seite gezeichnet und numerirt, welchen Umstand Layard sich nicht er.
klären konnte. Durch die im Texte ausgesprochene Hypothese ist er voll-
ständig motivirt.
2 Vergl. Döbereiners Aufsätze über das Wasserglas in verschiedenen Zeit-
Schriften unter andern in der Gartenlaube.