Textile Kunst.
Chaldäa.
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Die genannten Quaderwerke des Unterbaues sind bereits eine
Neuerung, die der chaldäische Baustil in der felsenreichen Gegend
des nördlichen Tigrisgebietes annahm.
Vielleicht war diese gigantische Burg die letzte Station der
chaldaischen Civilisation bis nach Niniveh, woselbst sie an den
Ufern des Tigris und des oberen Zab, am Fusse der Gebirge von
Kurdistan, einer grossartigen Metamorphose entgegenreifte, in Folge
politischer Verhältnisse und zugleich lokaler Einflüsse, besonders
der Nähe von Kalkstein- und Alabasterbrüehen.
Auch nördlicher noch und westwärts von Ninive erstreckt
sich die Kette altchaldäischer Monumente, Zeugen des Ganges
den das Civilisationsprinzip, das von Chaldäa ausging, genommen
und die Grenzen seines Einflusses bezeichnend. Unter diesen, die
überall aus den weiten Ebenen auftauchen, sind durch Layard
erst einige Wenige am Fusse des Sindjargebirges und den Ufern
des Kabur mehr durchstöbert als durchforscht worden.
Hier, am Ufer des Kabur, erhebt sich der künstliche Hügel
von Arban, mit merkwürdigen Skulpturen, die weder ganz dem
assyrischen Stile entsprechen noch demjenigen gleichen, was Wir
von den älteren babylonischen Sachen kennen. "Kräftig und
eckig in den Umrissen und der Behandlung machen diese Skulp-
turen den Eindruck hohen Alterthums. Sie verhalten sich eben
so zu den hochverzierten und vollendeten Skulpturen von Nimrud,
wie die ältesten Ueberreste griechischer Kunst zu den herrlichen
Monumenten des Phidias und Praxiteles." So das Urtheil Layards,
auf welches in Kunstfragen ich jedoch nicht immer schwören mag.
Immerhin sind diese Skulpturen wegen ihres unzweifelhaft
archaischen Typus und besonders wegen ihrer verwandtschaftlichen
Züge mit dem, was die europäische Auffassung der asiatischen
Kunstüberlieferungen in ihren frühesten Versuchen aus diesen
machte, höchst interessant; aber obschon übertriebener und roher
in gewissen Details, z. B. den strickähnlich aufgelegten Sehnen
und Muskeln der Körpertheile stehen sie doch keineswegs zu den
Skulpturen von Nimrud und Kudjundschik in dem von Layard
ausgesprochenen Verhältniss. Sie sind allem Anscheine nach älter
als dasjenige", was wir den assyrischen Stil nennen wollen, das
heisst sie reichen über die Zeit hinaus, in welcher die Metamor-
phose des altchaldäisch babylonischen Civilisationsprinzipes in das
assyrische eintrat, obschon ein System des Bekleidens der Lehm-