Volltext: Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 125 in den Text gedr. Holzschn. und 15 farb. Tondrucktaf (Bd. 1)

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Realität durch die Regelmässigkeit periodischer Ranmes- und Zeitfolgen 
hindurchblickt, im Kranze, in der Perlenschnur, im Schnörkel, im Reigen- 
tauze, in den rhythmischen Lauten womit der Reigentanz begleitet wird, 
im 'l'akte des Ruders, u. s. w. wiederzufinden. Diesen Anfängen sind 
 und die  entwachsen, die beiden höchsten rein 
ikosmisvchen (nicht imitativen) Künste, deren legislatorischen Rückhalt 
keine andre Kunst entbehren kann. 
Aber jenen allgemeinen Naturphänomenen mit ihren erhabenen 
Schrecken, mit ihren sinnverwirrenden Reizen, mit ihrer unfassbaren 
Gesetzlichkeit treten noch thätigere Momente hinzu, die unser Gemüth 
spannen und es für die Illusionen der Kunst empfänglich machen. 
Ein endloser Kampf, ein furchtbares Gesetz des Stärkeren, wonach 
einer den andern frisst, um wieder gefressen zu werden, geht zwar durch 
die gesammte Natur hindurch, manifestirt sich aber in seiner ganzen 
Grausamkeit und Härte in der uns zunächst stehenden Thierwelt, bildet 
den Inhalt unserer eigenen irdischen Existenz und denjenigen der Ge- 
schichte. Diesem endlosen Vertilgungsprocesse durch das Leben fehlt 
der Abschluss und die Tendenz, das Gemüth, wechselnd zwischen Has 
und Mitleid, betäubt sich über den trostlosen Satz: Das Einzelne ist 
geschaffen nur um dem Ganzen als Nahrung zu dienen. 
Dazu tritt das Zufällige, Ungereimte, Absurde, das uns auf jedem 
Schritte der irdischen Bahn begegnet, und dem Gesetze, das wir belauscht 
zu haben glaubten, schnöde in das Antlitz schlägt. Dann die tiefe uner- 
gründliche sturmbewegte eigne Gemüthswelt, Chöre der Leidenschaft im 
Kampfe unter sich und mit Schicksal, Zufall, Sitte, Gesetz; Phantßsiß im 
Gegensatz der Realität, Narrheit im Widerspruche mit sich selbst und 
dem All, nichts als Zerwürfnisse, denen uns die Künste, indem sie diese 
Kämpfe und Konflikte abschliessen, im engen Rahmen fassen und als 
Momente endlicher Sühne benützen, für Augenblicke entrcissen. Aus 
diesen Stimmungen gingen die lyrisch-subjektiven und die dramatischen 
Kunstmanifestationen hervor. ' 
lDie Kunst hat somit gleiches Ziel mit der Religion, nämligh Eng. 
hebung aus den Unvoilkornmenheiten des Daseins, Vergessen der irdischen 
Leiden und Kämpfe im Hinblick auf Vollkommenes. Aber beide bilden Go- 
gensätze darin, dass der Glaube durch das Mysterium des Wunders sich in 
das Unbegreifliche, mithin Gestaitlose, versenkt, die Kunst dagegen dem Gestalt- 
losen Form gibt und selbst das Wunder in Kunstwerken naturgemäß ja noth- 
wendig erscheinen lässt. Eben so ist auch des Wissens Trieb und der Drang 
nach Wahrheit eine dritteflforln des gleichen Strebens nach Vollkum. 
menheit. Aber hier ist das endliche Ziel ein unerreichbares. das Reich des. 
Unbekannten steht zu dem Kreise des Erforschten in einem Gegensatz, der
	        
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