Der Verfasser setzt für seine Schrift einige Grundbegriffe der Aesthe-
tik als bekannt voraus. Da aber gewisse Auffassungen dieser Begriffe
ihm eigenthümlieh angehören, so schuldet er in Betreff ihrer dem Leser
eine kurze Auseinandersetzung, die, als Anhang eines Vorworts, sich
darauf zu beschränken hat, einzelne in der Schrift vorkommende Termen
zu erklären.
Was wir mit Schönheitssinn, Freude am Schönen, Kunstgenuss, Kunst-
trieb u. s. w. bezeichnen ist in erhabnerer Sphäre analog mit denjenigen
Trieben, Genüssen und Befriedigungen, durch welche die Erhaltung des
gemeinen tellurischen Daseins bedungen ist, und die, genau betrachtet,
sich auf Schmerz und dessen momentanes Beseitigen, Betäuben oder Ver-
gessen zurückführen lassen. So wie der Zahn des Hungers das rein
physische Individuum antreibt durch dessen Beseitigung sein Dasein zu
fristen, sowie Frost und Unbehagen ihn zwingen Obdach zu suchen, so-
wie durch diese und andre Nöthe er dahin geführt wird mit alleralt
Eriindungen ihnen entgegen zu arbeiten, durch Mühen sich und seiner
Gattung Bestand und Gedeihen zu sichern, in gleicher Weise sindäge-
lenleiden uns eingeimpft, durch welche die Existenz und die Vered-
lung des Geistigen im Menschen, und des Menschengeistes im Allgemei-
nen, bedungen sind.
Umgeben von einer Welt voller Wunder und Kräfte, deren Gesetz
der Mensch ahnt, das er fassen möchte, aber nimmer enträthselt, das nur
in einzelnen abgerissenen Akkorden zu ihm dringt und sein Gemüth in
stets unbefriedigter Spannung erhält, zaubert er sich die fehlende Voll-
kommenheit im Spiel hervor, bildet er sich eine Welt im Kleinen, Worin
das kosmische Gesetz in engster Beschränktheit, aber in sich selbst abge-
schlossen, und in dieser Beziehung vollkommen, hervortritt; in diesem
Spiel befriedigt er seinen kosmogonischen Instinkt.
Schafft ihm die Einbildungskraft diese Bilder, indem sie einzelne Na-
turscenen so vor ihm zurecht legt, erweitert und seiner Stimmung an-
passt, dass er im Einzelnen die Harmonie des Ganzen zu vernehmen
glaubt und durch diese Illusion für Augenblicke der Wirklichkeit ent-
rissen wird, so ist diess Naturgenus s, der vom Kunstgenuss eigentlich
Prinzißiell nicht verschieden ist, so wie denn auch das Naturschöne (das es
erst entsteht durc_h_die Empfänglßxll_keitg_und_ selbst durch die vervoll-
ständigende llhangaisiemdfis Baesichaigrs dem allgemeinen "Kuiistschönen
"E13 untere Kategorie zufalltfu
Aber dieser künstlerische Genuss des Naturschönen ist keineswegs
die naiveste und ursprünglichste Manifestation des Kunsttriebes, vielmehr
ist der Sinn dafür dem einfachen Natumiexfschen unentwiekelt, während
es ihn schon erüeut das Gesetz der bildnerischen Natur, wie es in der