Textile
Kunst.
Mesopotamien.
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Decken- und Giebelbau, von welchem wir nur durch die Nach-
richten der Alten, durch Andeutungen auf assyrischen Basreliefs
und durch wenige aufgefundene seiner Ordnung angehörige Glie-
der und Theile Notiz haben. Wir werden diesen grossartigen
Baustil in seinem Gesammtwesen in einem andern Abschnitte
dieses Buches zu restituiren suchen, hier darf uns nur dasjenige
beschäftigen, was er in Bezug auf unser Thema Bemerkenswerthes
bietet, wodurch wir vorzugsweise auf das konstruktive Element
dieses Stils hingewiesen werden.
Zuerst müssen wir unser Prinzip auch hier in der eigentlich
t extilen Bekleidung wieder aufsuchen das allerdings in anderer
Weise als in China, nicht hürdenartig primitiv sondern in kul-
tivirterer Fassung, aber fast entschiedener als irgendwo mit den
bildenden Künsten und der Baukunst in Verbindung tritt. In der
That mögen die Chaldäer und Assyrier unter allen Völkern des
westlichen Kulturstockes als die treuesten Bewahrer des Motives
der Bekleidung in der Baukunst gelten, das sich bei ihnen in
seiner ganzen Ursprünglichkeit erhielt.
In den ältesten Urkunden des Menschengeschlechtes werden
die Teppiche und Stoffe der Assyrier gerühmt Wegen ihrer Far-
benpracht und der Kunst der auf ihnen gesticktem und gewirkten
Darstellungen. Schon im Buche Josua (VII, 21) kommt eine
solche Prachtarbeit babylonischer Webstühle vor. Sie werden als
mit grotteskem Werke, fabelhaften Thierformen, Kämpfen und
Jagden bedeckt beschrieben und heissen peristromata zodiata,
belluata tapetia u. s. w. Auf Teppichstickerei bezieht sich auch
Hesekiel, wenn er (23 v. 24) von den rothen Männern, den Bil-
dern der Chaldäer, spricht.
Ihnen nachgebildet, aber höchst wahrscheinlich bedeutend
ägyptisirend, waren die später berühmten tapetia alexandrina und
die mehr gräcisirenden attalisch-pergamenischen aulaea. Wahr-
scheinlich hatten die hellenischen Herrscher zu Alexandria und
zu Pergamos grosse Staatsmanufakturen für derartige Teppiche
errichtet, ähnlich wie es viel später von den Normannenfürsten
in Palermo geschah.
Gräcisirt asiatisch mochte wohl auch der Peplos sein, den der
Sybarite Alkisthenes in dem Tempel der Hera Lakinia zur Schau
ausstellte und der von den Besuchern des Heiligthums unter
allen Schätzen desselben am meisten bewundert wurde, obgleich