Textile Kunst.
Mesopotamien.
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abgeschwächte Nachbild der geflügelten ägyptischen Sonne hält,
obgleich er eben so gut sein noch nicht zu verkürzter Hierogly-
phenform zusammengeschrumpftes Vorbild sein kann.
Noch viel weniger kommen gewisse ägyptische und ägypti-
sirende Geräthe und ornamentale Theile von Gebäuden in Be-
tracht, deren Vorkommen unter den Trümmern assyrischer Monu-
mente ursprüngliche und fortdauernde Einwirkungen Aegyptens
auf wassyrische Kunst keineswegs beweist. Der wichtigste Fund
dieser Art wurde in einem kleinen Sale des (ältesten) Nordwest-
palastes zu Nimrud gemacht und besteht aus sehr interessanten
getriebenen Erzgefassen, Bruchstücken von Geräthen aus getrie-
benem und gegossenem Metall und einer Menge von Elfenbein-
schnitzwerken, die zum Schmucke eines kostbaren Möbels,
einer hölzernen Wandbekleidung, Thür oder dergleichen gedient
haben mögen. Layard 1 und Birch halten diese Gegenstände für
assyrische Arbeit im ägyptischen Stile, wogegen sie nach an-
dern ächt ägyptisches Werk und zwar, zum Theil wenig-
stens, Werk aus dem alten Reiche Aegyptens sind. Dafür
spreche die auf den Kartusehen zweier Elfenbeintafeln enthaltene
Hieroglypheninschrift, die den Namen des Königes Ra-Übn ent-
hält, der lang vor der achtzehnten Dynastie herrschte, dafür
spreche noch deutlicher der Stil dieser Bildwerke, der offenbar
der archaisch-ägyptische sei. Kein assyrischer Elfenbeinschnitzer
noch selbst ein ägyptischer Künstler aus den Zeiten späterer Dy-
nastien hätte unter anderem vermocht, den unnachahmlichen Stil,
das Katzenhafte, der archaischen Figuren wiederzugeben. Anderes
dagegen scheint nicht ägyptische aber eben so wenig assyrische
Arbeit zu sein, sondern mag aus Phönik-ien oder sonst woher
stammen und als Beute nach Ninive geschafft worden sein. Alle
diese Gegenstände aber tragen das Kennzeichen ältester Kunst,
zum Theil gleichsam vorgeschichtlichen Zopfes, zwischen welchem
und dem ersten Anfange der eigentlichen historischen Zeit der
Kunst noch ein weiter Zwischenraum des Verfalls und der Bar-
barei angenommen werden muss.
Diess aber spräche nur von dem hohen Alter des ältesten Pa-
lastes zu Nimrud und von einer auch von Alexander und den
Römern befolgten Sitte, die Säle der Königsburgen mit den
' Siehe Layaröfs Ninive und seine Ueberreste, übersetzt von Meissner.
200 und 297 und dessen Monuments of Niniveh 2te Series tab. 57-69.