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Viertes Hauptstück.
einer andern Gegend. Eine urzoroastrische Lehre habe sich
auf dem Boden Chaldäas und Mesopotamiens mit einem fremden,
nämlich ägyptischen, Bildungsprinzipe vermischt, letzteres sei zur
See vom persischen Meerbusen her, die beiden Ströme aufwärts,
vorgedrungen und habe das von nomadischen Stämmen durch-
zogene Land kultivirt, Staaten gegründet und mit ihnen eine
Kunst geschafen, die wesentlich aus ägyptischen Elementen zu-
sammengesetzt sei.
Allerdings hat der monumentale Stil Aegyptens mit dem Stile
der Bauwerke Mesopotamiens, so weit wir ihn bis jetzt kennen,
einige auffallende Verwandtschaftszüge, die besonders deutlich
hervortreten wenn man den ältesten Pyramidenstil des unteren
Nilthals bei dieser Vergleichung vor Augen hat; auch ist es
wahr dass sich diese Uebereinstimmung beider Kunstrichtungen
durchaus nicht genügend aus dem natürlichen Gesetze der Ent-
wicklungsprozesse der Menschheit, das unter ähnlichen Umständen
auch ganz Aehnliches hervorbringen müsse, erklären lasse; diese
Uebereinstimmung tritt nämlich hier wie auch an andern Orten
zu auffällig in ganz zufälligen Erscheinungen hervor, d. h. solchen,
die nicht nothwendig durch die Umstände bedungen sind, ihrer oft
gleichsam spottcn, in Erscheinungen die wenigstens eben so gut
sich hätten ganz anders gestalten können, um über eine gemein-
same Entstehung oder einen Wechselbezug zwischen den Völ-
kern bei denen sie sich wahrnehmen lassen Zweifel zu gestatten.
Auch stehen diese gleichartigen Erscheinungen in der Kunst ver-
schiedener Völker in dem engsten Zusammenhange mit Entspre-
chendem auf den Gebieten der Religion, Politik und Sitte.
Ist dieses nun zuverlässig wahr und richtig, ist zugleich wo
nicht erwiesen doch wahrscheinlich dass die frühesten chaldäisch-
assyrischen Werke der Kunst, die sich noch in einzelnen Trüm-
merhügeln erhielten, im Vergleich zu den Werken der Aegypter
aus der Pyramidenzeit verhältnissmässig jung und gleichsam
modern sind, so folgt daraus immer noch nicht dass die
Civilisation Assyriens ihre wichtigsten Grundformen von den
Aegyptern entlehnt habe. Der Fischgott Oannes, der auch in
der Noahsage als ächtester Lokal- und Wasserheros auftritt, reicht
zu der Unterstützung dieser Hypothese wahrlich nicht aus, so
Wenig Wie die Figur im geflügelten Kreise, der angebliche Urgott
Zaruana oder wer er sonst sein mag, den .man für das bereits