252
Viertes
Hauptstück.
Die mit den eigentlichen eingedachten Räumen in Verbindung
stehenden Mauern sind überall aus Ziegelwerk ausgeführt, das
bis auf die Höhe der Brüstting ohne Bewurf bleibt. 1 Ueber dem
Lambris beginnt die Stuckmalerei, die nach dem Stande des Be-
sitzers wechselt. Die meisten Wände sind äusserlich weiss in
Füllungen getheilt und mit inkrustirten landschaft-
lichen Darstellungen oder sonstigem Schmuck.
Die kaiserlichen Häuser haben rothe reich mit Gold ge-
schmückte Wände. Oben haben sie, gleich den Wänden zu
Pompeji, eine fries artige Abtheilung, auf welcher durch-
brochene Brüstungen oder Gitterwerke gemalt sind,
gleich als wäre dieser Theil leer und als stünde die
Mauer mit dem Dache in gar keiner Verbindung.
In dem Innern sind diese Mauern mit Tapeten von Damast
oder von geringerem Stoffe, bei Bürgersleuten von Papier, be-
kleidet. Die Oetfnungen dieser 'Wände sind gross und mannig-
faltig gestaltet, oval, kreisrund, polygon u. dgl. Oft fehlt eine
ganze Wand. Die Thüren, wo sie Anwendung finden, sind von
kostbarem Holze mit zierlichen Füllungen und Durchbrechungen,
aber wie alles übrige Holzwerk ohne Rücksicht auf
Kostbarkeit des Materials mit den lebhaftesten Far-
ben überzogen.
Aus der ganzen Behandlungsweise der Mauern, in so weit sie.
unmittelbar bei den Wohnungen oder bedachten Räumen in An-
wendung kommen, erkennt man ihre Wandelbare und sekundäre
Bestimmung. Ihr Grundmotiv sind jene beweglichen und leichten
Scherwände aus lackirtem Papiermache, Stoffen oder Papier,
deren Gebrauch wir von den Chinesen entlehnt haben und die
noch immer nicht genug von uns benützt werden. Durch sie be-
kommt eine Einrichtung eine Elasticität, eine Fügbarkeit in den
Wechsel der Bedürfnisse, deren Abwesenheit wir so häuiig an
unseren Stubeneinrichtungen schmerzlich empfinden.
Die Verbindung der Mauern mit dem Säulenwerke des Daches
geschieht auf dreierlei Weise.
Die Mauer steht erstens ausserhalb der äussersten Säulenreihe.
1 Ich folge hier treu dem handschriftlichen Berichte der Jesuiten der
kaiserlichen Bibliothek. Wahrscheinlich ist der untere unbeworfene Mauer-
sockel für Täfelungen reservirt, so dass auch hier die Aehnlichkeit mit dem
was die assyrischen Gemäuer zeigen hervortritt.