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der Kunst eine wahre Führerin werden, wenn sie aus ihrem gegenwär-
tigen sondernd kritischen und archäologischen Standpunkte zu dem der
Vergleichung und der Sygthesis übertritt.
Die
Puristen,
Schematiker
und
Zukünftler.
Die Philosophie will das Schöne seinem Begriffe nach deünirt und
scharf in seinen UnterbegriHen begrenzt haben, sie macht sich zweitens
breit mit der Zerlegung des Schönen nach seinen Eigenschaften; wenn
sie es nun drittens noch zu einer lebendigen Kunstlehre brächte, so wäre
der ästhetische Theil ihrer Aufgabe erfüllt; an die Stelle der in der
Kunst herrschend gewordenen Verwirrung und Zersplitterung hätte sie
Einheit des Trachtens und Harmonie des Vollbringens gesetzt. Es ist
aber mit der Philosophie in ihrer Anwendung auf Kunst wie mit der
Mathematik angewandt aufNaturlehre; Letztere kann zwar jede gegebene
noch so complicirte Funktion differentiiren, aber das Integriren gelingt
ihr selten, und am wenigsten in solchen Fällen der Physik, bei denen ein
verwickeltes Durcheinanderwirken von Kräften Statt findet, dessen Gesetz
zu bestimmen ist. Aber die Mathematik versucht doch wenigstens
derartige Integrationen und rechnet sie zu ihren höchsten Aufgaben, wo-
gegen die Aesthetik von heute ganz ähnliche Aufgaben und Probleme
der Kunstphysik (um mich der Analogie wegen die zwischen dem Wir-
ken der Natur und dem der. Kunst Statt findet dieses gewagten Aus-
druckes zu bedienen) kurzweg von sich abweist und den Standpunkt
als glücklich überwunden erklärt, auf welchem noch Aesthetiker
wie Lessing und Rumohr, die wirklich selbst etwas von der Kunst und
ihrer Praxis (jeder von beiden in seiner Sphäre) wussten und verstanden,
den Künstler in die Lehre nehmen zu dürfen glaubten. (Zeising, ästh.
Forschungen, Einleitung Seite 2.)
Es ist dem Kunstphilosophen nur noch um die Lösung seines Pro-
blemes zu thun, das mit dem des Künstlers nichts gemein hat, "dem als
"Ausgangs- und Zielpunkt seiner Thätigkeit die Erscheinungswelt gilt,
"während dem Aesthetiker das Erste und das Letzte die Idee ist, die
"ihm als der Keim und Samen alles Daseienden, als die befruchtende
„Kraft gilt, welcher alles, auch das Schöne, seine Existenz verdankt etc." l
Ihm ist der Kunstgenuss Verstandesübung, philosophisches Ergötzen,
bestehend in dem Zurücktragen des Schönen aus der Erscheinungswelt
thum welches den Unterschied des Edlen und Gemeinen weniger auffallen
lülßtä auch ist der Geschmack, der diese Unterschiede wahrnimmt. für diesen
Stil, wegen der Neuheit seiner Wiederaufnahme, noch ziemlich unempfänglich.
1 Zeising A. F. Einleitung.