Volltext: Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 125 in den Text gedr. Holzschn. und 15 farb. Tondrucktaf (Bd. 1)

Textile 
Kunst. 
Kleiderwesen. 
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stickten Wollenstoffen bestehenden langen und schmalen Üeber- 
wurf in mehreren Spiralwindungen fest um den Leib; nicht der 
Faltenwurf, sondern das Gosticke und ganz besonders der reiche 
(oft goldene) Fransenbesatz waren die Zierden, worauf man da- 
bei rechnete. Man kann sich diese Art Tracht in der That nicht 
besser vergegenwärtigen als durch die Kashniir-Shawls und Urn- 
schlagetücher unserer Damen, die gerade so wie jene wahrschein- 
lich dem Stoffe nach verwandten assyrischen Shawls den offen- 
baren Gegensatz zu dem Himation und der Chlamys der Griechen 
bilden, sowohl in Betreff ihrer Form und Verzierungsweise wie 
riicksichtlich ihres Tragens. 
Die assyrisehe Umwieklung des Leibes mit der Kalasiris, ver- 
bunden mit den doppelten Chitonen und der Vorliebe für reiche 
Umgürtelung und Ringsehmuek, sind charakteristische Züge, die, 
wie ich zeigen werde, den Geist der Nation vollkommen aus- 
drücken und in ihrer Baukunst sich ähnlich äussern. 
Nur bei den Gräko-italern erhielt der Ueberivurf freieste Ent- 
faltung, die wahrscheinlich durch älteste nationale Ueberlieferung 
vorbereitet war, aber doch, wie ich bereits bemerkt habe, erst 
spät eintrat. Dieser Uebergang zur freien Draperie war das Re- 
sultat eines plötzlichen Auffassens und Erkennens des Kunst- 
schönen, wie der ganze Aufschwung den Griechenland nahm, 
nachdem es lange hinter den civilisirteren Nachbarvölkern zurück- 
geblieben, ein plötzlicher war. 
ß. Das Prinzip der Bekleidung hat auf den Stil der Baukunst 
und der anderen Künste zu allen Zeiten und bei allen Völkern 
grossen EinHuss geübt. 
Allgemeines. 
In dem 3. Hauptstücke wurde bereits mehrfach auf das Ent- 
stehen und die Ableitung der meisten dekorativen Symbole in 
der Baukunst aus den textilen Künsten hingewiesen; dasselbe be- 
reitet auf das nun Folgende über den tief greifenden und allge- 
meinen Einfluss derselben und der ihnen ursprünglich angehöri- 
gen deckenden und bindenden Elemente auf den Stil und das 
formale Wesen der Künste und der Architektur insbesondere 
Semper. '18
	        
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