tungsdaten, Stilkriterien, struktiven, ikonographischen, liturgischen und
allen sonstigen Aufschlüssen, bei sonst geringem eigentlich künstlerischem
animus und Gedankenschwung, daher für das schaffende Streben anre-
gungslos, diess sind Charakterzüge der modernsten kunstgesohichtlich-
archäologischen Literatur, die sich an den Kunstleistungen der historischen
Schule wiederspiegeln. '
Die neugothische, derzeit vorherrschende, Abzweigung derselben da-
tirt erst seit etwa einem halben Jahrhundert, sie wurde zuerst durch
Gröthe und die Dichter der romantischen Richtung in Deutschland ange-
regt. Ihre ersten Proben waren Gartenpavillons und kleine Landkirchen,
die dürftig genug ausiiclen. Doch datiren aus dieser Zeit auch auf-
fassendere Werke, wie z. B. die beiden gothischen Aufsätze der (roma-
nischen) Thürme des Grossmünsters in Zürich. Ihre eigentliche Wirk-
samkeit begann aber erst mit der Zeit wie das Interesse für die Erhal-
tung der alten gothischen Denkmäler rege ward und grossartige Unter-
stützung fand. Die Restaurationswerke, die in Folge dieser romantisch
antiquarischen Bewegung unternommen wurden, bildeten eine Anzahl von
Werkführern und Werkleuten heran, die seitdem als Virtuosen dieses
Stils Gelegenheit fanden, ihn bei neuen Bauwerken anzuwenden.
Dieser geschichtliche Hergang zeigt uns die neugothische Richtung
ihrer Entstehung und ihrem Wesen nach als restauratorisch. Die
Zahl ihrer Anhänger unter Technikern und Layen ist sehr bedeutend;
unter ersteren besteht die grosse Masse aus den genannten Routiniers,
denen die compendiaria artis, welche der gothische Stil sich schuf, ein
erwünschtes vademecum ist. Wegen des konstruktiven Princips, das die-
ser Stil mit äusserster Konsequenz verfolgt und wegen der Leichtigkeit
womit er der Marktproduktion seiner formalen Bestandtheile auf mecha-
nischen Wegen Vorschub leistet, findet er auch unter den Materiellen
und den Industriellen seine zahlreichen Anhänger, namentlich in Eng-
land, wo dieser Stil überdicss sich noch herkömmlich erhielt, wenn schon
in höchst schematischer Weise.
Aber es bekennen sich zu dieser Schule auch sehr talentvollc
Künstler die beinahe sämmtlich erst sich zu ihr bekehrten, nachdem
sie vorher auf ganz anderen Richtungen ihre künstlerische Bildung sich
erworben und Proben ihres Talentes abgelegt hatten. Dieses vorzüglich
in Frankreich, wo der gothische Baustil von jenen Künstlern auf dem-
jenigen Punkte früher Entwicklung wieder aufgenommen wird, auf dem
er der Weiterbildung noch fzihig ist, wogegen man in Deutschland und
England den bereits erstarrten Stil befolgt.
Diese bedeutenderen Männer unter den Neugothen stehen mit einer
sehr thätigen politisch-religiösen Partei in engster Verbindung, der.
selben Partei die (der damaligen Prachtliebe sich als Hebel für ihre pro-