Kunst.
Textile
Processe.
Färben.
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weit mehr wusste als unser renommirtester Manufakturist und
Dampfkesselfalrber, 0b ihm nicht alle die Geheimnisse der Natur
die wir enthüllten und für den genannten Zweck anwandten
schon bekannt waren und er sie wohl zu benützen verstand, ob-
schon er sich _von den Wirkungen die er beherrschte die (für
uns) lächerlichsten Erklärungen machte. Plinius erzählt uns mit
deutlichen Worten dass die Aegypter die Kunst verstanden
durch verschiedene Beitzen die man auf die gewebten Stoffe auf-
trug, so dass sie unsichtbare Muster bildeten, diese Stoffe so zu
präpariren dass sie bunt- und mehrfarbig gemustert aus dem
Färbekessel, in den man sie nur momentan eintauchtc, herausge-
hoben wurden: nmirumque cum sit unus in cortina colos, ex
illo alius atque alius fit in veste, accipientis medicamenti quali-
tate mutatus, nec postea ablui potest: Ita cortina non dubie con-
fusura colores si pictos iacciperet. 4
Etwas Aehnliches, ein kombinirtes Drucken und Farben mit
den verschiedensten und zugleich naturgemäss innigst verwand-
ten Farben, haben unsere Farbenkünstler doch noch nicht zu
Stande gebracht.
Doch nicht in den Raiiinerieen der Praxis bestand diejenige
Meisterschaft der Alten in der Ausschmückung ihrer Gewänder
und sonstigen Steife durch Farben für welche sie meiner Ansicht
nach unsere Bewunderung am meisten verdienen; sie zeigte sich
vielmehr in der klaren Durchführung gewisser einfacher Stilprin-
zipien auf welche sie eine Farbcnmusik begründeten die der
Musik ihrer Formen durchaus homogen war und deren Akkorde
in letztere auf das Wunderbarste ergänzend eingriffen.
Unsere moderne Schönfarbekunst zeigt sich auf ihrer Höhe
in dem Präpariren farbiger Garne von Wolle, Linnen, Baumwolle
oder Seide, sie überlässt den Webern und sonstigen Fabrikanten
die so praparirten Fäden zu beliebiger Auswahl und Benützung;
sie sucht dabei den abstrakten Farben in ihrer absoluten Rein-
heit möglichst nahe zu kommen und sie durch alle Abstufungen
der Intensitäten und durch alle Schattirungen und Nuancen der
Uebergänge hindurch zu führen. Der Absolutismus dieses Systems
weiss nichts von Einflüssen welche der Stoff, noch weniger von
solchen, welche die Bestimmung der Waare auf dasselbe ausüben
könnten, höchstens wird anerkannt dass ein Stoff, z. B. Baum-
' Plin. H. M. XXXV. 2.