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Hauptstück.
Viertes
positionen erfanden, wie schon die Kunst sich vom Handwerke
zu trennen anfing. Vor dieser Trennung waren auch unsere
Aeltermütter zwar keine Mitglieder der Akademie der schönen
Künste noch Albumsammlerinnen noch hörten sie ästhetische Vor-
träge, aber sie wussten sich selber Rath, handelte sich's um die
Zeichnung zu einer Stickerei. Hier sitzt der Knoten.
ä. 56.
Das Färben, Drucken etc.
Das Beitzen und Färben der Haut gehört zu der merkwür-
digen Gruppe von Erfindungen deren Mutter nicht die Noth
sondern die reine Lust ist und die zu den allerfrühesten gehören,
weil gleichsam der Instinkt der Freude sie dem Menschen ein-
blies. Die Lust an der Farbe ist früher entwickelt als die Lust
an der Form; selbst das niedrig organisirte Insekt freut sich am
Sonnenglanz, an der Flamme und an den Kindern des Lichts
den glänzenden Blumen des Feldes.
Die einfachsten Färbestotlfe, d. h. diejenigen die am nächsten
zur Hand liegen, sind die Pflanzensäfte; auch sah der Natur-
lnensch nirgend Deckfarben sondern überall die Farbe als un-
zertrennlich von der Form, diese durchdringend: das Färben
ist natürlicher und leichter, daher auch ursprüng-
licher als {das Anstreichen und Malen. Diese Thesis
enthält ein sehr wichtiges Moment der Stiltheorie, Worauf ich bei
der Entwicklung meiner Auffassung der Polychromie in den bil-
denden Künsten der Alten öfter zurückkommen werde. _
Zu dem Färben gesellte sich zeitig die Praxis des Beitzens,
denn das Streben nach dauerndem Genuss ist so alt
wie der Genuss.
Unsere Chemiker wissen trefflich zu erklären, wenigstens ex-
perimentalisch nachzuweisen, wie gewisse Salze und Laugen auf
die färbenden Stoffe reagiren indem sie ihre Farben verändern,
zugleich das Einsaugen derselben in die zu färbenden Stoffe und
ihre Aeehtheit fördern; grosse Vortheile zog die neueste Schön-
färberei aus diesen Fortschritten der Wissenschaft, aber es bleibt
ungewiss 0b nicht selbst hierin, ich meine in dem Reintechnischen
der Färberei, von allen Geheimnissen der Nüancirung und der Be-
festigung der färbenden Steife das früheste Alterthum, der Schön-
Pzirber des alten Reiches von Aegypten und des uralten Chaldäa,