Volltext: Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 125 in den Text gedr. Holzschn. und 15 farb. Tondrucktaf (Bd. 1)

Textile 
Kunst. 
Stoffe. 
Seide 
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keine unangenehmen Töne hervorbringen. S0 Würde z. B. feuer- 
farbener Atlits als Stoff des Untergewandes nicht wohl zu einen; 
violetten Ueberwurfe stehen, Weil die Reflexfarbe ein schmutziger 
aus roth, gelb und blau gemischter Ton würde. Gemusterter und 
damastartig geblümter Atlasgmnd verträgt reichere und buntere 
Dessins als irgend ein anderer. Er übertrifft in dieser Eigen- 
schaft sogar den Goldgrund, wenn dieser nicht etwa die Textur 
des Atlas erhält. " 
Welchen Einfluss dieser Stoff auf die Malerei und Skulptur 
gehabt habe, ergibt sich aus den Werken derzdeutschen und nie- 
derländischen Meister zu Ende des 15. und zu Anfang des 16. 
Jahrhunderts , und unter diesen zeigt er sich am entschiedensten- 
bei Albrecht Dürer, dessen geknickter Faltenwurf so recht be- 
wusstvoll von ihm aus Vorliebe für diesen Stoff gewählt wurde. 
.Der Vergleich dieser deutschen Auffassung des Stoiflichen mit dem 
was die italienischen Meister, namentlich Titian und Paul Veronese 
daraus gemacht haben, ferner mit dem was unter den Händen 
der holländischen Meister des 17. Jahrhundertes daraus hervor- 
ging, bietet vielfachen Anlass zu Vergleichungen, nicht bloss für 
Maler und Kunstforscher, sondern eben so sehr für Seidenfabrikan- 
ten, Kostümiers und Damen, die bei der wichtigen Toilettenfrage 
ihren angebornen Geschmack durch Stilstudium -zu unterstützen 
nicht für überflüssig halten.   
Offenbar hat Dürer andere Zeuge vor Augen gehabt als Titian, 
Paul Veronese und selbst Holbein. Der Atlas, den diese Meister 
malten, war ein anderer als derjenige, der uns in den Netschers 
und Therburgs entgegenglänzt. 
Die Seidendraperie und namentlich der Faltenwurf des Atlas 
ist mehr geschickt für malerische denn für plastische Behandlung 
und hat auf letzterem Gebiet im späteren Mittelalter in gewissem 
Sinne naehtheilig gewirkt. Die Plastik 'musste die seidenen 
Fesseln erst von sich werfen, (was schon unter den pisanisehen 
Meistern geschah) um" sich wieder frei zu fühlen. 
Doch lässt sich nicht läugnen, dass die Seide einer gewissen 
eeremoniös-feierlichen und tendenziösen Richtung der darstellenden 
Künste, (die bei aller vollendeten Technik, wo immer sie sich 
zeigt, der freieren Richtung gegenüber doch stets eine gebundene 
bleibt) die Hand bot, und dass in diesemlSinne auch in der 
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