iDie Gegenwart hat nicht Musse noch Zeit sich in die ihr quasi
aufgedrungenen Wohlthaten hineinzuleben, was zu einer künstlerischen
Bemeisterung dieser Gaben unbedingt nothwendig ist; die Praxis und
die industrielle Spekulation, als Mittlerinnen zwischen der Konsumtion
und der Erfindung, erhalten diese zu beliebiger Verwerthung ausge-
liefert, ohne dass durch tausendjährigen Volksgebrauch sich vorher ein
eigner Stil für sie ausbilden konnte; und es bedarf eines bei weitem
grösseren künstlerischen Taktes als derjenige ist den man im Allge-
meinen bei unseren Industriellen findet um auch ohne die Vermitt-
lung der Zeit für alles das Neue was sich drängt die richtige Kunstform
sofort zutreffen, dasjenige Gepräge nämlich, wodurch das freie Menschen-
wcrk als Naturnothwendigkeit erscheint, der allgemein verstandene und
empfundene formale Ausdruck einer Idee wird.
Zwar ist die Spekulation bemüht, so wie sie von der wissenschaft-
lichen Intelligenz ihre technischen Mittel borgt, eben so auch die bilden-
den Künste sich dienstbar zu machen, aber sie hat die bei so grossar-
tigem Wirken wie das ihrige allerdings nothwendige Theilung der Arbeit
auf eine dem erstrebten Erfolge dieser Auskunft höchst ungünstige Weise
bewerkstelligt. Sie trennt z. B. das sogenannt Ornamentale von dem
Formell-Technischen auf eine rein mechanische Weise, die das Nichtfüh-
len und Nichterkennen der wahren Beziehungen zwischen den verschie-
denen Funktionen, durch welche der Künstler sein Werk zu Stande
bringt, sofort verrath.
Eine grosse Anzahl zum Theil begabter Künstler arbeitet mit fester
Anstellung für die englische und französische Industrie; und zwar in
doppelter Dienstbarkeit; des Brodherrn einerseits, der sie als ziemlich
lästige Geschmacksräthe und Formenverzierer nicht für ebenbürtig er-
kennt, selten gut belohnt; der Mode des Tages andrerseits, die den
Absatz der Waare garantiren muss, wovon doch am Finde alles abhängt,
Zweck und Existenz der industriellen Anstalt.
S0 bleibt die Initiative in der industriellen Produktion dem Künst-
ler durchaus fern; dieser tritt vielmehr nur als Rubrik unter den Specia-
litäten auf die der Fabrikherr beschäftigt, ungefähr wie die Bereitung
der Thonmasse einen besonderen Kneter erfordert, oder wie die Leitung
der Oefen einem Oberheizer übergeben ist, der seine Anzahl von Unter-
heizern unter sich hat. Nur mit dem Unterschied dass der Fabrikherr
letztem meistens freie Hand lässt, weil er die Unzulänglichkeit seiner
eignen technischen Kenntnisse fühlt, wogegen jeder Esel etwas von der
Kunst verstehen will. Angaben des Künstlers werden ohne Bedenken
kritisirt, verfälscht und verstümmelt, wo sie dem Geschmacks des Fabrik-
herrn nicht zusagen oder irgend ein Werkführer Bedenken wegen der