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Viertes
Hauptstück.
dagegen fast immer mit Goldfaden gewirkt, S0 dass entweder der
Grund oder das Muster golden erscheint. Die vorherrschenden
Farben sind purpurroth, purpurviolet, grün und gelb, welches
letztere oft durch Gold ersetzt wird.
Diese Stoffe nun verhalten sich zu den uralten, schweren,
bildervollen, asiatischen Geweben und Stickereien aus Wolle
wie jene vorher bezeichneten spätrömischen Seidenzeuge sich
zu den leichteren und weniger geschmückten Stoffen des klas-
sischen Alterthumes verhalten: in beiden ist die Seide noch
nicht stilistisch verwerthet, man erkannte in ihr nur erst
einen Stoff, der einige Eigenschaften der früher gewohnten
Stoffe in erhöhtem Grade besitzt, ohne schon darauf gekommen
zu sein , die ihm besonders eigenthülnlichen Qualitäten, viel-
leicht gegen Aufopferungen solcher Vortheile, die die Wolle,
das Linnen oder die Baumwolle gewährten, als Grundlage
eines neuen Stils zu betrachten und darauf ein neues Princip
der Seiden-Kunstweberei zu begründen. Dass aus der frühe
ren sassanidischen Periode Anzeichen einer anderen und richti-
geren Auffassung der Eigenthümlichkeiten des Seidenstoffes in
den Kostümen der Bildwerke aus jener Zeit hervortreten beweist
nur, dass damals die fertigen Seidenstoffe noch direkt aus China
oder wahrscheinlicher aus Ostindien bezogen wurden und als
fremder Modestoff das Kleidungswesen jener Zeit für eine Zeitlang
modiiicirten, jedoch nach einer Richtung hin, die derjenigen unge-
fahr entgegengesetzt war, die sich um das 7. und 8. Jahrhundert
herum in denselben Ländern entwickelte, nachdem die Seiden-
fabrikation Zeit gehabt hatte, sich dort heimisch zu machen.
Goldbrokate.
Der erste wichtigste Fortschritt auf dieser Bahn der Entwicklung
des Seidenstils, (der, ich Wiederhole, für die gesannnte Kunst des
Mittelalters von eben so grossem und allgemeinem Einilusse war,
wie die textile Kunst nach dem Principe der Alten es für die Ent-
wicklung der antiken Kunst gewesen ist) zeigt sich nun in dem
vorherrschend werdenden Systeme der Assimilation, indem man
den Glanz der Seide zur Basis des noch glänzenderen Goldfadens
machte und entwederdas Muster aus Gold auf seidenem Grunde