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Viertes
Hauptstück.
den Schneider wegen der Richtung, die er diesen zu geben hatte,
so dass sie nicht auf dem Kopfe stehend oder der Quere erschei-
nen, sehr in Verlegenheit setzen mussten, zu der Verzierung von
Kleiderstoifen verwandt wurden. -So beklagt sich Asterius der
Bischof von Amasea über die Thorheit seiner Zeit, die auf die
eitlen und unnützen Ausartungen der Webekunst, welche durch
Fadengeflecht die Malerei nachahmen wolle, viel zu grossen Werth
setze; man halte so gekleidete Leute für angemalte Schauwände,
und die kleinen Kinder zeigten mit den Fingern auf die Dar-
stellungen auf den Kleidern. Da gäbe es Löwen, Panther, Bären,
da waren Felsen, Wälder und J äger; die Pietisten trügen Christum
und die Apostel und alle seine Wunder auf dem Rücken. Hier
sehe man die Hochzeit von Galliläia und Wcinkriige, dort trage der
Giehtbrüchige seine Matratze, anderswo erscheine die Büsscnde zu
den Füsserf des Heilandes oder der wieder aufgeweckte Lazarus!
Nach diesem würde unser Stoff ganz gut der damaligen Kleider-
mode entsprechen. Nachdem nun der Geschmack bereits so
früh diese Richtung genommen hatte, fanden die orientalischen
für den Markt produzirten seidenen Dutzendwaaren, als roba della
{iera nothgedrungen bestimmungs- und inhaltslos, einen gar will-
kommenen Absatz. Die eingewirktenhhimärisehen Bestien, mit
denen diese Stoffe überstneut sind, nichts wie verkümmerte und
stereotypirte Nachkommen jener phantastischen assyrisehen Fabel-
thiere (die übrigens sämmtlich Erzeugnisse der Stickerei waren,
auf welchen Umstand ich noch später zurüekkomme), bildeten
nun sogar den Schmuck und die Zierde der liturgischen Priester-
ornate, so wie der Kirchenparamente, der Vorhänge, Himmel-
decken und Fussteppiehe.
Neu-
Babylonisclner
Seidenstil.
Auf diese noch in Messgewändern, Krönungsornaten und son-
stigen Feierkleidern ziemlich zahlreich erhaltenen Stoffe des
Orients, die auch später in Griechenland, Sicilien und Italien
nachgemacht wurden, und zu denen die beissendc Satire des
frommen Bischofs Astcrius so gut passt (wie würde er erst sich
geäussert haben, wenn sie schon zu seiner Zeit ihren Eingang in
das Heiligthum der Kirche gefunden hätten), richtet sich heutzu-
tage vorzugsweise das Interesse der christlichen Antiquare, Ikone-