Kunst.
Textile
Stoffe.
Seide.
153
Obschon dieser Stoff sowohl in der Kette wie im Einschlage
aus Seide besteht, trägt er dennoch in auffallender Weise den
Charakter des Caschmirgewebes, man sieht deutlich, dass die
Farben und Muster einem der Seide fremden Stile entnommen sind. '
Was das Muster des in Rede stehenden Zeuges betrifft, so
hat Hr. Bock dasselbe meines Erachtens fälschlich mit den von
den Alten so häufig genannten schottischen oder gallischen Stoffen
in Verbindung gebracht. Diese waren gewürfelt, scutulis divisae
nach Plinius, die Streifen waren Verschiedenfarbig einander durch-
kreuzend, indem nicht nur der Einschlag, sondern auch die Kette
aus Fäden zusammengesetzt war, die abwechselnde breite Streifen
bildeten. So entstanden die scutuli? (QTÄÜÜtOl), und die vestes
versicolores des Livius, die virgata sagula des Virgil und die
braccae virgatae des Properz. Aus anderen Schriftstellern erhellt
freilich, dass die Hauptfarbe dieser gallischen Gewänder roth war,
doch darf man dabei nicht an einen allgemeinen Purpurgrund
denken, wie ihn unser Stoff zeigt, sondern nur ein Vorherrschen
rother Streifen zwischen andersfarbigen sich vorstellen, wie bei
den jetzigen schottischen Mustern. Unser Stoff hatte schwerlich
jemals die Bestimmung getragen zu Werden, sondern bildete wahr-
scheinlich den Schmuck unddie Ausstellung eines vornehmen Platzes
bei den öffentlichen Spielen, denn ich sehe in den darauf gewirk-
ten Gruppen keine Simsons, sondern römische Thierkämpfer, die
sich allenfalls ohne Ineptie ins Unbestimmte hinaus vervielfältigen
liessen, was mit dem einzigen Simson nicht der Fall gewesen
Wäre. Allerdings hatte man bereits im 4. Jahrhundert in der
Geschmacklosigkeit so weite Fortschritte gemacht, dass allerhand
durch den Webstuhl vervielfältigte iigürliche Darstellungen, die
l Ein höchst seltenes Stück antiken Seidengewebes, Welches zu dem von
Herrn Bock publicirten Pendant bildet und gleichfalls noch aus guter Zeit
stammt. ist im Besitze des Herrn Dr. Keller, Präsidenten der antiquari-
schen Gesellschaft zu Zürich, der mir gütigst gestattete, dasselbe zu ver-
öffentlichen. Es befand sich in einem elfenbeinernen mit den Bildern des
Aesculap und der Ilygiaea verzierten Kistchen, das im Archiv des Domkapitels
in der Valeriakirclme zu Sitten sich voriinrlet. Der Stoff ist ganz seiden und
geköpert. Die Verzierungen heben sich braungelblich aus dunkelgrüne-m
Grunde ab. (Die Abbildung folgt unter dem 5. Weberei.)
2 Die Autoren des bas-empire verstanden unter scntuli ganz etwas an-
deres als was Plinius und die alten Schriftsteller überhaupt darunter sich
denken. x
Semper. 20