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zrtes
Hauptstück.
schwere und dichte Stoff, dessen steifer und eckiger Faltenwurf
gegen das hellenischc Prinzip der Bekleidung sich auflehnte, war
ihnen unmittelbar nicht geniessbar, sie schufen aus ihm ein Neues,
benützten die Festigkeit des Seidenfadens, verbunden mit dessen
Glanze, um ein feines, metallschimmerndes Strameigewebe daraus
zu schaffen.
So machten es die Hellenen mit vielen anderen fremden Ueber-
kommnissen, man möchte in diesem Beispiele ein inbegriff-
liches Bild der gesammten Kunst und Gesittung der Hellenen er-
kennen: auch sie ist sekundäre Schöpfung; nicht der Stoff,
wohl aber die Idee ist neu, die den alten Stoff belebt.
Erst langsam und nie ganz, bis zu der byzantinischen Zeit,
konnte sich das Alterthnm an den Stil der Seidenindustrie ge-
wöhnen und ihn ganz in sich aufnehmen. Der Grieche musste
Barbar, er musste erst Chinese werden, (welches zur Zeit des
Justinian und unter den ihm nachfolgenden Kaisern geschah) be-
vor der Seide auf europäischem Boden ihr Recht wurde, ehe der
Seidenwurm sich hier ganz einbürgcrn konnte. Zur selben Zeit,
erst unter den Sassaniden, scheint der Seidenstil auch. im Orient
nämlich in den Ländern, die einst der Sitz der uralten, westasia-
tisehen Civilisation waren, in Persien, Mesopotamien und Klein-
asien tiefere Wurzel gefasst zu haben; diGSS erkennt man an
den bekannten baroken Reiteriiguren der Sassanidisehen Herrscher
bei Persepolis, und sonst an Felsen in Persien, deren knittriges, Hat-
terndes Kostüm offenbar aus Seidenstoffen besteht, während an den
altpersischen Figuren, die unfern von ihnen in den Felsen gehauen
sind, sich der Faltcnwurf der wollenen Stoffe unzweifelhaft kundgibt.
Die Gewandung jener merkwürdigen Königsfigurcn beweist,
dass der Stoff, den der Bildhauer mit charakteristischer Sorgfalt
in seinen Eigenthümlichkeiten nachzubildcn bemüht war, ein
dünner Taffent oder Atlas oder etwas Aehnliches gewesen sein
musste. Das Seidcnzeug, welches hier zweifelsohne dargestellt
ist, erinnert an die leichten indischen Stoffe, wie sie noch jetzt in
diesem Lande im Gegensatze zu den chinesischen, japanesischen
und anderen orientalischen schweren Seidengeweben vorzugsweise
producirt werden, und ward sehr wahrscheinlicherweise auch von
Indien aus bezogen.
Gleichfalls durch die Leichtigkeit des Stoffes eine gewisse all-
gemeine Stilverwandtschaft mit Indiens zarten Fabrikaten verra-