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Viertes Hauptstück.
und Königstöchter, nicht die alltägliche Tracht, woraus sich
schliessen lässt, dass sie seltene ausländische Stoffe Waren. In
dem Periplus des Arrian werden sowohl seidene Zeuge als auch
gesponnene Seide als von Aussen eingeführte Handelsgegenstände
genannt. Bei den Aegyptcrn war, wie es scheint, der Seidenbau
nicht eingeführt, auch ist nicht nachweisbar, dass sie die Seiden-
stoffe, die von Indien durch den Handel hätten eingeführt werden
können, für ihre festlichen und religiösen Kostüms benützten,
oder sie als Teppiche und Vorhänge verwandten. Wäre ent-
schieden, dass dasjenige, was in der Bibel mit Seide übersetzt
Wird, wirklich diese Bedeutung hätte, so müsste man annehmen,
dass dieser reiche Stoff schon in früher Zeit bei den Aegyptern,
so wie bei den Juden und Phönikiern, in grossartigstem Massstabe
für dekorative und vestiarische Zwecke verwendet wurde. Aber
die seidenen Seile, die gleichfalls seidenen Vorhänge der Stifts-
hütte, nach Luthers Uebersetzung, sind nach der Erklärung
mehrerer Interpreten keine Seide. Ausserdem wird die ganze
Beschreibung der Stiftshütte in dem Exodus für spät und einge-
schoben gehalten, so dass selbst für den Fall, dass hier Seide
gemeint Ware, sich daraus gar nichts Sicheres für die betreffende
Frage schliessen liessc.
Eben so ungewiss ist es, wann die Seidenstoffe in Westasien
bei den Völkern des Euphratthalets eingeführt seien und ob man
sich unter den reichgestickten babylonischen und assyrischen G9-
wandern und Teppichen Seidenstickereien denken müsse. Heeren
ist dieser Ansicht, weil bei den römischen Dichtern assyrische
Kleider stets seidene Kleider bezeichnen und Procop ausdrücklich
anführt, dass aus dem Seidengespinnste die Gewänder verfertigt
würden, welche die Griechen vormals als Medische bezeichneten
und welche man jetzt seidene nenneÄ Diess widerspricht aber
anderen Stellen der Alten, worin ausdrücklich die babylonischen
Zeuge unter die Wollenstoffe gerechnet werden, wie z. B. der
bereits oben angezogenen Stelle des Plinius. Es ist anzunehmen,
dass der Gebrauch der seidenen Stoffe bei den Assyriern ein
spät eingeführter sei, und dass erst die Griechen und Römer aus
der Kaiserzeit die Seidenkleider babylonische oder assyrische Ge-
wänder nannten, aus dem Grunde, weil der Seidenhandel damals
über Assyrien und Phönizien ging-
1 Heeren's Ideen etc. 1. Th. 1. Abth. Seite 113. Forster de Bysso Anti-
quorum. S. 16.