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Viertes
Hauptstück
geschätzten Scharlachtuche 1 verstanden. Ucber Flandern und
Belgien verpiianzte sich dann die feine Tllehfabrikation Zuerst
nach England und Frankreich, zuletzt nach Florenz, dann nach
den übrigen industriellen Städten Italiens, Mailand, Genua" und
Neapel. Diess geschah erst in den Zeiten, wie Florenz schon
zum Grossherzogthum geworden war, jedoch blühete daselbst die
Wollenwcberei (arte della lana) bereits im Anfange des 14. Jahr-
hunderts. Nach Giov. Villani waren 200 Gewölbe für Wollenver-
kauf schon damals in Florenz, wurden 70 bis 80000 Stücke Tuch
des Jahrs gefertigt, und lebten 30000 Personen von dieser In-
dustrie. In jenen frühen Zeiten ging der Handel der meistens
groben Stoffe nach der Levante. Später (im Jahre 1460) waren
die Gewölbe bis auf die Zahl 275 gestiegen, seitdem verminderte
sich der Umfang dieser Industrie von Jahrhundert zu Jahrhundert.
Während der bürgerlichen und darauffolgenden religiösen Un-
ruhen in Flandern und Brabant wanderten viele der geschicktesten
Wollcnweber nach fremden Staaten hin aus, die meisten nach
England, ein Thcil nach Deutschland.
Ihnen verdankt England den Flor seiner Wollenindustrie. In
der Mitte des 16. Jahrhunderts flüchteten über 100,000 Wollen-
Weber aus Flandern meistens nach England. Üebrigens Waren
die englischen Färbereien, besonders die Waidfärbereien, schon
bei den Alten berühmt; eben so galten bei den Skandinaviern
des 11., 12. und 13. Jahrhunderts die englischen und irischen
Fabrikate für sehr ausgezeichnet.
Frankreichs Tuchmanufakturen brachte vorzüglich Colbert
in Aufnahme. In der Schweiz bestanden gleichfalls sehr alte
Fabriken, die besonders zu Zürich blühten.
Die altberühmten deutschen Wollenmanufakturen wetteifern
noch immer mit mehr oder weniger Vortheil mit den englischen
und französischen. Gewisse Fabrikate, z. B. das für Stickereien,
Posamcntirarbeiten und Strickgewebe so nothwendige lange Kamm-
garn, wird nirgend so schön bereitet und gefärbt wie in Nord-
deutschland, vorzüglich in Hamburg und Holstein. Die lang-
haarigen, angoraartigen Sehaafe der Nordseeküste und der Haide
liefern dazu den fast einzig geeigneten Rohstoff. Ueber die Teppich-
1 Dieselben wargn von allen Farben und die eigentliche Rittertracht.
Scharlach scheint im Mittelalter wie Purpur im Alterthum, jede satte feurxge
und ächte Farbe zu bedeuten.