Volltext: Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst ; mit 125 in den Text gedr. Holzschn. und 15 farb. Tondrucktaf (Bd. 1)

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Viertes 
Hauptstück. 
nichts anderes bedeuten, als jene feinsten Wollgewebe Indiens, 
in welchen der hier besprochene Rohstoff in seiner raffinirtesten 
technisch-stilistischen Durchbildung hervortritt. 
Den Hellenen in der höchsten Kulturperiode war die Wolle 
der beliebteste Kleidungsstoff. Der volle Faltenwurf der Wolle 
trat an die Stelle der gekniffenen und welligen Linnenzeuge und 
Baumwollengespinne (vestes undulatae). Der ionische althelleni- 
sehe Chiton (das Unterkleid) war Leinen, der dorische Welle. 
Diese Wahl des zur Selbsterkenntniss gcdiehenen Hellenen ist für 
die Stilfrage, so weit sie sich an den rohen Faserstoff knüpft, 
von höchstem Interesse. Der griechische Wollstoff war einfach, 
ungewürfclt, ungemustert und nicht haarig befranst, wie das assy- 
rische Xlowiölov; er war ganz und allein darauf berechnet, den 
schönsten, feinsten und vollsten Faltenwurf zu geben, dessen Ent- 
wicklung durch kein Muster und kein breites Fransenwerk gestört 
werden durfte. Der Grad der Starke des Gewebes, die Feinheit 
des Stoffes und dessen Farbe wurde so gewählt, wie sie für das 
Geschlecht, die Grösse, den Charakter des damit zu Bekleidendcn 
am passendsten schien, denn die Hausfabi-ikation der Gewebe 
und Kleider wurde bei den Griechen stets in Ehren gehalten und 
gepflegt. Es liessen sich dafür aus den Autoren ganze Haufen 
von Citaten anführen. Erst nach der Alexanderzeit kam asiati- 
scher Luxus und ein der Wolle ungünstigeres Prinzip der Mode 
wieder auf, das früher, vor der Zeit der höchsten Entwicklung 
des Hellenenthumes besonders bei den ionischen Stämmen schon 
einmal geherrscht hatte. Der bei den Tragödien verwandte 
heroische Prunk hatte wohl schon früher das Seinige zu diesem 
Umschlage der Trachten beigetragen. 
Bei den Römern, die noch in den früheren Zeiten sich nach 
Art der Schäfer der heutigen römischen Campagna zum Theil 
mit Schaafsfliesen bekleideten, wurde griechischer Geschmack der 
Kleidertracht frühzeitig eingeführt, doch verblieb eine Beimischung 
des Barbarischen, die sich schon in der zu sehr hervortretenden 
und schwerfälligcn Draperie kund gibt. Diesem schwerfalligeren 
Stile gemäss, wurde statt der leichten Wollenzeuge der Griechen 
für die Ueberwürfe eine Art von Filz genommen. Die Wollen- 
gewebe wurden nämlich durch die Fulloncs gewalkt und iilzartig 
verdichtet. Später wurde auch hier wieder alles asiatisch und 
die Wolle zum Theil durch Seide ersetzt.
	        
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