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Hauptstück.
Viertes
leiter vorzüglich geeignet ist, sowohl in der Kälte die innere
Wärme zurück- wie in der Hitze die äussere abzuhalten. Dabei
ist das spezifische Gewicht der Vvolle geringer als das jedes an-
deren Faserstoffes (nämlich nur 1,260), wodurch die aus ihm ge-
wonnenen Zeuge noch ausserdem den Vorzug grosser Leichtigkeit
gewinnen. Die Wolle ist nicht wie der Flachs und in geringerem
Grade die Seide frisch anzufühlen, sondern besitzt grosse spezi-
fische Wärme, die sich zum Theil aus der schuppichten Textur der
Wollhaare und dem dadurch bewirkten Hautreize erklärt. Diese
Eigenschaften zusammengenommen, machen die aus Wolle produ-
zirten Stoffe geschickter für äussere Decken und Bekleidungen als
zu Untergewändern, zu Welchem Zwecke dienende Gewebe beson-
ders in dem an feinster Wolle produktiven Asien schon frühzeitig
sehr kunstvolle bereitet wurden. Dass die schön gewirkten mit
reicher Farbenpracht und gestickten Emblemen verzierten Ober-
kleider der früheren Bewohner des Euphratthales und Arabiens,
wie noch jetzt, aus Wolle bestanden, sagt Herodot ausdrücklich:
"Sie tragen, führt er an, "ein linnenes (oder baumwollenes) bis
auf die Füsse gehendes Hemd (Sindon, Kithon). Ueber dieses
ziehen sie ein anderes wollenes Gewand derselben Art (nämlich
ein Kithon oder kurzärmeliges Hemd), und werfen über dasselbe
einen welligen weissen Shawl" (Klanidion), vielleicht die Actaea,
der jonischen Griechen, woraus die Stola des römischen Priester-
ornates wurde. Es war ein weiter reich befranster Ueberwurf,
der zuweilen die Dimensionen eines Mantels annahm, wahrschein-
lich aus feinster Cashmirwolle und den Cashmirshawls ähnlich.
(Siehe unter Trachten.)
Noch grossartiger ward derjenige Zweig der Wollenindustrie
in Asien betrieben, der sich mit dem Bereiten der Zeltdecken,
Wandtapeten und Fussteppiche beschäftigte. Diese im hohen
Alterthume so äusserst wichtigen Ausstattungen der Wohnräume
bildeten einen der Hauptartikel der Industrie und des Handels
von Babylon und Ninive. Sie wurden nirgend so prächtig gestickt
und mit lebendigeren Farben gewebt als in jenen Städten. Ihnen
zunächst kamen die tyrischen Teppiche und die Wollenzeuge der
ionischen Griechen, unter denen vornehmlich die Milesißr und
die Ephesier sich auszeichneten, deren Wolle der feinsten arabi-
schen und Cashmiiwvolle nahe kam. 1
Siehe
Democritus
apud
XII ,
Athenaeum
525.