Textile Kunst.
Stoffe.
Kautschuk.
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ten Ausstellung. vielleicht sogar ein entgegengesetztes Ueberschrei-
ten der Stilgerechtigkeit, weil sie selbst für Schmuckkästchen und
dergleichen Prachtgegenstände aus diesem Stoffe, die glatten, jeg-
licher plastischen Zierde baaren Oberflächen verwalten liessen,
die dann mit mässig gehaltenen silbernen und goldenen Beschlägen
garnirt wurden; also der Stoff erhält erst durch fremde Zuthat
seinen ornamentalen Schmuck, er selbst macht sich nur geltend
durch die ausserordentlichex Gleichartigkeit seiner Masse, durch sein
mildes Schwarz, durch die tadellose Glätte seiner polirten Ober-
fläche, endlich durch seine Solidität und Inalterabilität, die sich
äusserlich durch Formeneinfachheit kundgibt und gleichsam sym-
bolisirt.
Der Fortschritt ist hier nicht zu verkennen, dennoch nimmt
man zugleich wahr, wie die Neuheit der Eigenschaften, die der
Erfindungsgeist Goodyears zuletzt aus diesem Stoffe heraus-
zulocken gewusst hat, nämlich dessen feste, hornartige Textur,
auf diesen Umschlag in der ästhetischen Behandlung des Stoffes
eingewirkt hat. Man hatte nur noch die einzige zuletzt entdeckte
Qualität des Stoffes im Auge und diese ward massgebend für den
ganzen Bereich der Technik, in welcher er doch auf das Ver-
sohiedenseitigste benützt wird.
So viel ich weiss, werden viele Gegenstände, bei welchen der
Kautschuk in verhärtetem Zustande angewendet wird, in Formen
gepresst oder auch gegossen. Keine Formprocedur aber ist so
vollkommen, dass gewisse Formfehler,Nähte und dergleichen an-
dere Unvollkommenheiten des Produktes ganz zu vermeiden
wären; andererseits gestattet das Formen grossen Reichthum der
Verzierung ohne Mehrkosten, mit Ausnahme der ersten Auslagen
für die Form, und dieser Reichthum der Flächenvenzierung kann
benützt werden, um die auf einer ganz ebenen Fläche so leicht
bemerkbaren Formfehler zu verstecken und zu verkleiden. Eine
gemusterte Oberfläche, etwa nach dem Prinzipe der aus ganz
ähnlichen technischen Rücksichten hervorgegangenen schönen ge-
formten Henry II. Vasen (s. Keramik, unter der Rubrik Fayence)
ist daher für einen gewissen Theil dieser Gegenstände keineswegs
stilwidrig und lässt sich desshalb unter Umständen wohl mit
Recht jene gesuchte Simplicität in der Behandlung derselben, von
der oben die Rede war, als eine Verirrung des Geschmackes nach
einer der früheren entgegengesetzten Richtung hin bezeichnen.