Der
Kautschuk
das
Factotum
der Industrie.
Ein wichtiger Naturstoff hat erst in neuester Zeit auf dem
ganzen weiten Gebiete der Industrie eine Art von Umwälzung
hervorgebracht, und zwar vermöge seiner merkwürdigen Gefüg-ig-
keit, mit welcher er sich zu allen Zwecken hergibt und leiht. Ich
meine das Gummi elasticum oder den Kautschuk, wie er auf In-
disch benannt wird, dessen stilistisches Gebiet das weiteste ist,
was gedacht werden kann, da seine fast unbegrenzte Wirkungs-
sphäre die Imitation ist. Dieser Stoff ist gleichsam der Affe unter
den Nutzmaterien. Er wird aus dem milchigen Ptlanzensafte tro-
pischer Gewächse, in Ostindien von der Ficus elastica, in Java
von anderen Arten des Feigenbaumes, in Brasilien und Ceiitral-
Amerika von der Siphonia elastica, im indischen Archipelagus von
der Urceolaria elastica, einer riesigen Schlingpiianze, gewonnen.
Seine merkwürdigen Eigenschaften wurden in Europa zuerst durch
Condarnine bekannt, der 1735 eine Denkschrift, damals erfolglos,
darüber veröffentlichte. Erst seit etwa 15 Jahren fing dieser Stoff
an, die Aufmerksamkeit der Industriellen auf sich zu ziehen, nach-
dem er vorher nur mehr zu Spielereien und als Reinigungsmittel
des Papiers benutzt worden war, Seine chemischen Eigenschaften
wurden nun erstuntersucht, die nicht minder Jvichtig sind, als
seine mechanischen die bedeutendste darunter sind dessen Unauf-
löslichkeit und chemische Beständigkeit. Keine Säure afiicirt ihn,
mit Ausnahme der concentrirten Salpetersäure; auflöslich ist er
allein in Naphtha und in einigen ätherischen Oelen, wie Lavendel-
öl, Sassafrasöl u. dergl. In den nicht flüchtigen Oelcn, z. B. in
dem Leinöl, ist er zwar gleichfalls auflöslich, aber er verliert in
dieser Verbindung die Eigenschaft des Auftrocknens. Dazu kom-
men die mechanischen Eigenschaften dieses Stoffes, nämlich dessen
Elasticität, Tenacität, Dehnbarkeit, Undurchdringlichkeit für YVas-
ser und für Gasarten, Leichtigkeit, Geschmeidigkeit, Eflläflillngs-
fahigkeit, Glätte u. s. w. Auch lässt er sich nicht über den na-
türlichen Grad der Dichtigkeit hinaus verdichten; obschon er
dem starken Drucke nachgibt, springt er immer wieder in seine
normale Dichtigkeit zurück, wogegen er sich mit mehr Leichtig-
keit ausdehnen lässt und in diesem Zustande geneigter ist zu ver-
harren. Endlich lässt er sich legiren und färben.