Haut
Bäume.
Zwischen den Häuten der Bäume, nämlich der Rinde und dem
Baste derselben, und den Häuten der Thiere zeigt sich ein merk-
würdiger Rapport, der sidi auf doppelte Weise bei der uns be-
schäftigenden Frage geltend macht. Die Rinde, wie das Fell,
musste naturgemäss sehr frühe zu der Idee führen, sie, die na-
türliche Decke des Baumes, abzuschälen und zu Zwecken zu ge-
brauchen, die ihrer ursprünglichen Bestimmung verwandt waren.
Nicht zu reden von jenem famosen „ftill dress of an Indian Lady",
das auf den beiden grossen Ausstellungen zu London und Paris
paradirte und aus einem dreieckigen Stück Baumrinde besteht,
den die Guiana-Damen sich vorsehürzen, spielt die Rinde bei vie-
len Völkern, die schon bedeutend in der Kultur vorgerückt sind,
neben den Häuten der Thiere einen wichtigen Bekleidungsstoff.
Hierin sind aber die nordamerikanischen Eingebornen vielleicht
am weitesten vorgeschritten, die an ihren aus Rinde und Leder
gefertigten Canoes einen besonderen Kunststil entwickelten, der
sowohl in Form wie in Farbe höchst originell ist. Man kann ihn
den Gerberstil nennen, wobei die rothbraune Farbe der Rinde,
die der des Leders naturverwandt ist und noch ausserdem durch
den Process des Gerbens mit letzterer identificirt wird, den
Grundton der Polyehromie bildet, worauf sich dann die vier Far-
ben blau, roth, schwarz und Weiss (mit Auslassung des Gelb) an
den zierlich gebanderten Fugen und Nähten abheben. Aehnliehe
Tendenzen erkennt man in den bekannten Produkten aus Birken-
rinde, welche einen Hauptzweig der norwegischen Bauernindustrie
bilden.
Eine verfeinerte oder vielmehr eine Uebergangsindustrie ist
schon der Gebrauch des Bastes zu Bekleidungen aller Art, in-
dem derselbe mit Beihülfe einer Lauge in eine Zeugform gepresst
wird, woraus Kleidungsstücke und Decken bereitet werden. Die
Stämme der Siidsee gleich den amerikanischen Völkern wissen
auch diesen Zweig der Industrie, der den Uebergang zu dem
Bastgeflechte bildet, stilgerecht und mit tadellosem Geschmacke
durchzubilden. (Vergl. Klemnfs Kulturwissenchaft passim.)
Auch in Indien ward seit den ältesten Zeiten Baumrinde und
Baumbast zu Kleiderstoffen verarbeitet. Herodot (III. 98) nennt