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Ilauptstück.
Viertes
Oberfläche der Haut gleichsam bildlich wiedergeben, oder viel-
mehr durch Lineamente graphisch darstellen, eine sehr merkwür-
dige Erscheinung, die den Beweis gibt, dass das Ornament bei
diesen Völkern schon in seinem structiv-symbolischen Sinne auf-
gefasst und sehr richtig verstanden wurde. Sollte man berech-
tigt sein, daraus zu schliessen, dass diese Auffassung des Orna-
mentes die ursprünglichste sei oder ist sie vielmehr als ein Zei-
chen eines sekundären Kulturzustandes derjenigen Völker anzu-
sehen, bei welchen sie hervortritt? (S. Klemm's Kulturgeschichte
der Menschheit Südseeinsulaner und passim.)
Die Ornamente auf der Haut dieser Völker sind gebildet aus
gemalten oder tettowirten Fäden, die in mancherlei Sehnörkeln
und Windungen in einander laufen und mit geraden Linien ab-
wechseln.
Also werden wir durch diese Linien zugleich wieder auf den
Faden als das lineare Element der textilen Fläche zurückgeführt.
Gebinde
Geräthen
und
Waffen
Das Bedürfniss des Bindens und Befestigcns ist gewiss eines
der frühesten Für das handbegabte aber naturwatTenlose Thier,
den Menschen. Die natürlichsten Stoffe dazu boten das Pflanzen-
und das 'l'hierreich. DerBast der Bäume und die Halme der
stärkern Grasarten waren natürliche Bindemittel, deren Anwen-
dung gleich zu Anfang gewisse Proceduren voraussetzte, aus de-
nen eine Art von Stil hervorging. Grosse Kunstfertigkeit, rich-
tiger mechanischer Instinkt und oflienbares Streben, dem Schön-
heitsgefiihle gleichzeitig mit der Festigkeit Genüge zu leisten,
zeigt sieh in den Bast- und Grasumschlingungen der Waffen und
Geriithe der Wilden.
Gar manches erinnert dabei an die Geräthe und Waffen der
alten Aegypter, von denen sich Einiges in den GrälJergmtten
des Nilthales erhalten hat.
Das Gleiche gilt von den Waffen, Geräthen und Werkzeugen
der Assyrer, Hellenen, Etruskei- und Römer. Man überzeugt sich
hier wie überall, dass die hohe Kultur des Alterthums gleichsam
unmittelbar auf die Natur geimpft war.