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Drittes
Hauptstück.
der Figur herunterlaufen. Diese sind daher fiir des Umkleideten
Proportion indifferent, wenigstens insoweit sie die proportionale
Gliederung nicht bezeichnen, desto mehr sind sie geeignet, die
Symmetrie der Gestalt zu stören oder zu heben, und insofern
auch in der Distribution den Gesetzen der Symmetrie unterworfen.
Die Griechen, die ihre Kleider heftelten und in der Blüthezeit
ihres eigentlichen Hellenenthumes die gestickten Gewänder ihrer
asiatischen und thrakischen Nachbarn nur auf der Bühne und
als Tracht für Flötenbläser, Kitharöden, Tänzerinnen und He-
tären kannten, für sich aber als barbarischen Schmuck vor-
schmähten, vermieden sorgfältig jeden horizontalen, den Körper
oder Theile desselben der Quere nach durchschneidenden, d. h_
ringförmig umgebenden Kleideransatz, und es lässt nicht schwer,
den Nachweis zu geben, dass dieses aus richtigem Stilgefühle
unterblieb, so auch, dass Moden und Trachten, die gegen das aus-
gesprochene Prinzip verstossen, wie z. B. die Sitte des Anheftelns
des Haut de Chausse an das Pourpoint und das Herausziehen des
Hemdes durch die breiten offenen Schlitze zwischen beiden Ober-
kleidern (eine Mode des 17ten Jahrhunderts, die aus Holland her_
rührt) vor der Kritik des guten Geschmackes nicht bestehen
können. Das Gleiche gilt von den unpassend angebrachten, die
Proportionen des Unterkörpers und der Beine vernichtenden Idalbel-
nähten unserer Damen.
Dasselbe Gesetz der Aesthetik, wonach jede Gewandstückelung
der proportionalen Entwicklung zu folgen, nicht sie zu durch-
schneiden hat, verbietet zugleich die Theilung der Flaggen und
Fahnen in vertikale, buntabwechselnde Lappen, deren Üngeschmack
schon früher gerügt worden ist. In diesem Beispiele zeigt sich
das Stilgesetz zugleich als praktisch und materiell zweckgemäss,
weil der Wind dergleichen vertikale Verbindungen sehr leicht
trennt.
Ganz anders, wie gesagt, verhält es sich mit den Band- und
Ringzierden, die ihrer Natur nach proportionalisch, nicht Symmg-
trisch sind, und den Gesetzen der Proportionalität gemäss geord-
net werden. Sie sind nicht Theile der Bekleidung, noch stehen
sie mit diesen Theilen als Zwischenglieder in irgendwelcher Be-
ziehung, sondern sie sind in einigen Fällen Zwischenglieder zwi-
sehen dem Kleide als Ganzes und dem Bekleideten, die Verbin_
dungsmomente beider, wie z. B. der Gürtel, die schöne Ringzierde