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Drittes Hauptstück.
ihm herabhangenden Blüthen und Früchte; und diese Dinge
sind es einzig und allein, welche (ausser den dem WVebstuhl ent-
nommenen und an die Idee eines Ürzeltes geknüpften Zopfgeflech-
ten, Labyrinthen und ähnlichen Ornamenten) auf jenen Stroteren-
decken seit undenklichen Zeiten die typischen Embleme bilden.
Es bedarf hier nur flüchtiger Erinnerung an die Steinplafonds der
aegyptischen Tempelhallen mit den Sternen, den befittichten Son-
nen und den breitgeiiederten Adlern, die in dem allgemeinen
Azurgrunde schweben, an die Sternendecke des hellenischen Ura-
niskos, an die Rosettenkuppel des Panthecn mit ihrem jetzt ver-
schwundenen Bronzeschmuck, oder endlich an die Holzdecken der
altehristlichen Basiliken, an die romanischen Plafonds und Ge-
wölbe, an dieß gothischen Kreuzgewölbe der Ste Chapelle, an As-
sisi, 1 an den Dom von Siena und Orvieto, an die Certosa zu
Pavia, die schon den Uebergang zur Renaissance bildet, welche
letztere dieses uralte Motiv erst mit neuer Frische belebt, dann
aber in freiester Behandlung mit weniger strengen (den nunmehr
emancipirten darstellenden Künsten bequemer sich fügenden) Mo-
tiven vermengt, die theils schon altchristliche Ueberliefemng, theils
den reichen und phantastischen Decken der römischen Bäder, die
damals, im 16. Jahrhunderte, zum ersten Male wieder an das Tages-
licht gebracht Wurden, entnommen sind. Die gemalten Sterne auf
den, unteren Flächen der kleinen Deckplatten (Kalymmatien), womit
die Opäen (Durchbrechungen) der Plafondplatten zwischen den Bal-
ken zugedeckt wurden, sind, gleich wie die später an ihre Stelle
tretenden, plastisch ausgeführten Akanthustulpenq oder sog. Rosetten
nach allen Seiten gerichtet, und bieten in dieser Beziehung keine
Schwierigkeiten; die Adler und geflügelten Sonnen der Aegytischen
Plafonds wenden ihren Flug dem Eintretenden entgegen; an ihre
Stelle treten in christlicher Zeit die Seraphim, Köpfe oder ganze
Engelsiiguren, auch Ringe mit vierfachen Flügelpaaren, die sich nach
allen vier Hauptrichtungen durcheinanderkreuzen, offenbar erfunden,
1 Siehe Farbendr. Tab. VIII.
2 Diess sind die in den beiden berühmten Bauinschriften an der Akropolis
zu Athen (von denen die zuletztgefundene fälschlich gleichfalls auf den Po-
liastempel bezogen worden ist, wie ich in einem Aufsatze im Kunstblatte
N1". 42 ff- des Jahrganges 1855 dargelegt habe) wiederholt vorkommenden uoilzm,
M181" Vielmehr zoilnou, die man eben so fälschlich auf die Oven oder Eier-
Stäbe, womit die Kymatien der jonischen Ordnung so reichlich ausgestattet
sind, bezogen hat.