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2. Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert jedoch
knüpft die christliche Kunst wieder an das Alterthum an.
Nicht allein an die Formen der Antike; auch seine Ideen
gewinnen mehr und mehr Raum in der Kunst und ge-
langen bis zum sechzehnten Jahrhundert zu selbständiger
Darstellung.
Zuerst ist es ein wissenschaftlich encyclopädisches
Interesse, welches schon im zwölften Jahrhundert heid-
nische Vorstellungen in die christliche Kunst hineinzieht.
Es war der systematische Geist des Mittelalters, der den
welt- und kirchengeschichtlichen Zusammenhang auch der
heidnischen Zeit mit der Geschichte unter dem Reiche
Gottes begreifen wollte. Dabei führt Heldenthum und
Kunst auf mythische Personen, wie Dädalus, Orpheus
und Hector; selbst Götterbilder werden aufgenommen,
namentlich die Musen. Um die umfassende Durchführung
einer solchen historischen Encyclopadie hat dann nament-
lich Giotto sich bemüht, wobei auch Motive aus dem
Heroenmythus benutzt wurden, in den Reliefs an dem
Glockenthurm zu Florenz. Andererseits ist es ein
künstlerisches Interesse, welches seit dem dreizehnten
Jahrhundert von dem Studium der Antike aus auch die
Ideen der alterthümlichen Kunst auffasst und sie innerhalb
der christlichen zur Darstellung bringt. Und zwar schreitet
dies von aussen nach innen und von Beiwerken zu Haupt-
werken fort: und die Häupter der Wiederherstellung der
Kunst haben an dieser Entwickelung Theil. N icola
Pisano zuerst belebte seine Figuren und verlieh dem
Gesichtstypus biblischer Personen an der Kanzel zu Pisa
(1260) dadurch Adel und Ausdruck, dass er antike Götter-
bilder nachahmte. Cimabue aber nahm mythologische
Figuren als solche in seine Malereien in der Oberkirche
S. Francesco zu Assisi auf, indem er den Engeln gegen-
über Genien aber nur verzierungsweise darstellte. Unter