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Kreise von Vorstellungen, die schon in der christlichen
Kunst traditionell geworden waren, entlehnt oder inner-
halb dieser Kunst selbständig reproducirt. Sie finden sich
insbesondere zu Anfang dieser Periode, als unter Karl
dem Grossen und seinen nächsten Nachfolgern die Kunst
einen Aufschwung nahm; und (ohne dass in den folgen-
den Jahrhunderten eine eigentliche Unterbrechung statt-
gefunden hätte) wiederum am Schluss derselben gegen
Ende des zwölften Jahrhunderts, als schon in Deutsch-
land, der Wiederherstellung der Kunst noch Vorangehend,
ein neuer Kunsttrieb sich offenbart.
Die dritte Periode, von der Wiederherstellung der
Kunst im dreizehnten bis in's sechzehnte Jahrhundert, zeigt
ein wachsendes Interesse für mythologische Kunstvorstel-
lungen, welches von den neu erwachten Bestrebungen
für das klassische Alterthum, sowohl in der Kunst als in
der Literatur, ausging. Wie jene Kunstepoche überhaupt
durch. das wieder aufgenommene Studium der Antike be-
zeichnet wird, so rief dasselbe auch eine Neigung hervor,
Vorstellungen der heidnischen Kunst herüberzunehmeil,
die für's Erste hauptsächlich nur in den Nebenwerken
christlicher Kunstdenkmäler Platz fanden. Endlich be-
reitete die Wiederherstellung der klassischen Literatur im
fünfzehnten Jahrhundert jenes Zeitalter vor, welches in
mancher Hinsicht als Wiederherstellung des Heidenthums
selbst erscheint, in welchem aber auch die christliche
Kunst zur höchsten Blüthe gelangte. Die grossen Meister
dieser Epoche nun besiegelten die Anwendung mytholo-
giseher Motive in christlichen Bildwerken durch ihr Bei-
spiel. Zugleich zeigt sich ein Wendepunkt auf diesem
Gebiet. Während bisher die christlichen Ideen in der
Kunst geherrscht hatten, da sie, eine Tochter der Kirche,
das ganze Mittelalter hindurch ihres Ursprungs eingedenk
geblieben war und ihre Eingebungen von ihr empfangen