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geschichtliche Stellung dieser Völker, ihre Bestimmung
für das Reich Gottes anzudeuten. Andererseits dienen
sie aber auch sammt den Propheten und Kirchenlehrern,
als Zeugen der Wahrheit aus dem Heidenthum, Judenthum
und Christenthum, den Triumph des Sohnes Gottes zu
verhcrrlichen. S0 sieht man sie in dem prächtigen Glas-
gemälde einer Kapelle der Kirche zu Brou 1) aus dem
sechzehnten Jahrhundert, welches die Himmelfahrt und
die Krönung der Maria abbildet, eingefasst von einem
Triumphbogen; in einem Fries entfaltet sich der Triumph
Christi: voran die Heiligen des Alten Bundes, Patriarchen,
Richter, Könige, dann Propheten und Sibyllen, namentlich
die Persische, Libysche, Cumaische und Phrygische,
in der Mitte Christus auf einem Wagen, thronend auf
der Weltkugel, gefolgt von den Aposteln und Heiligen
des Neuen Bundes. Auch von Tizian ist eine Composition,
der Triumph Christi 2), worin gleichfalls Sibyllen er-
scheinen, welche Standarten tragen.
3. Jenen grossen Frescogcmälden steht noch eine
Reihe von Staffelei- und Miniaturbildern zur Seite, in
denen die Sibyllen wiederum vornehmlich zur Einfassung
evangelischer Geschichten dienen. Von besonderem In-
teresse ist ein altes Bild auf Cedernholz, monochrom,
mit Gold aufgehöht, welches sich unlängst noch in Frank-
reich befand 3): es stellt die Geburt Christi dar, um die
Krippe zwischen David und drei andern Propheten er-
scheinen mehrere Sibyllen singend und spielend, mit
langen Bändern, worauf ihre Namen und Orakelspriißhß
stehen, in der Mitte dieser Gruppe Virgil, der mit
1) Didron Iconogr. chrdt. Hist. de dieu p. 316 sq. und 111m
Blanucl d'iconogr. chröt. p. 153.
2) Holzschnitt von Andrea Andreani, Bartsch Peintre grav.
T. XII. p. 91.
T) Beschrieben von Langlois Essai sur la peint. sur verre p- 48-