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Doch haben die Sibyllen auch innerhalb der Kirchen
eine Stelle bekommen, wie im Dom zu Siena die Statuen
der zehn Sibyllen in weissem Marmor gearbeitet (mit
den lnschriften ihres Namens und ihrer Weissagungen)
vom J. 1482 und 1483 aufgestellt sind 1). Sie sind ferner
an Kirchenstühlen geschnitzt. Besondere Beachtung ver-
dienen die Chorstühle im Münster zu Uhn mit neun Sibyllen,
eine Arbeit des trefflichen Bildhauers Georg Syrlin. Und
zwar zeigen die ältern drei am Bücken des Kreuzaltars
befindlichen Stühle vom J. 1468 an dem Pult zwei Sibyllen,
Samia und Eritria, während in den acht Giebelfeldern
Heilige in Brustbildern und oben der Heiland als Richter
erscheinen 2). Eine andere grossartige Composition ent-
halten die Stühle, die sich an den beiden Langseiten des
Chors hinziehen, verfertigt vom J. 1469-1474. Auf der
einen Seite sieht man vorne die runden Brustbilder von
sieben Sibyllen: Delphica, Libica, Tiburtina, Ellespontica,
Cuinana, Cimeria und Frigia, während an der Rückwand
Alttestamentliche Frauen und über denselben in den vor-
springenden Giebelfenstern heilige Frauen, Jungfrauen
und Märtyrinnen aus dem N. Testament und der Kirche
vorgestellt sind; eben so sieht man auf der andern Seite
vorne heidnische Weise und Dichter (s. oben S. 421.),
an der Rückwand die Propheten und andere Heilige des
A. Bundes, und über denselben in den Giebelfeldern die
Apostel und christliche Heilige. Bemerkenswerth ist die
1) della Valle Lettere Sanesi T. III. p. 150-153. Die Namen
dieser Sibyllen sind: Persica, Erithrea, Cumana, Cumaea (d. i.
die Cimmeria), Delphica, Tiburtina, Samia, Phrygia, Hellespontica,
Libica. Abbildungen von zzvölj" Sienischen Sibyllen hat Gal-
laeus seinem Werk Dissert. de Sibyllis earumque oraculis cum
iig. aeneis (1688) beigegeben, zu p. 61. 78. 87. 96. 112. 138.
144. U56.) 164. 173. 194. 195. s. das. p. 263.
2) Grüneisen u. Manch Ulms Kunstieben im Ivlittelalter S. '72 f.