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sowohl in den sibyllinischen Orakeln selbst, in denen
nur Eine Sibylle genannt ist, aber mehrere gemeint sind,
e als auch in der Tradition (wiewohl in dieser die
Zahl 10 oder 12 am allgemeinsten angenommen ist) eine
feste Bestimmung über ihre Zahl fehlt, wie sie über Zahl
und Bang der Propheten im Canon vorliegt; es war also
in jedem Fall erst eine Wahl zu treffen, wie viele und
welche Sibyllen vorgestellt werden sollten. Sodann dass
über die Persönlichkeit der Sibyllen kein Aufschluss dar-
geboten war, der für die künstlerische Darstellung einen
Typus hatte an die Hand geben können; es war also
der schöpferischen Phantasie des Künstlers überlassen,
diesen zu bilden.
In der älteren Zeit nun sind die Sibyllen noch nicht
ein Gegenstand der christlichen Kunst gewesen. Wenigstens
kommen sie in den Gemälden und Reliefs der Katakomben
nicht vor. Nur auf einem Sarkophag 1) im Garten des
Palastes Corsini, in dessen Mitte der gute Hirte gebildet
zu sein schien, hat man geglaubt eine Darstellung der
Sibyllen und Propheten zu finden; es ist jedoch schon
oben (S. 84 f.) bemerkt, dass die beiden Gruppen wahr-
scheinlich eine andere Bedeutung haben und der Sarko-
phag nicht christlichen, sondern antiken Ursprungs ist.
Es ist um so weniger wahrscheinlich, dass Sibyllen sollten
auf Sarkophagen dargestellt sein, da auch nicht Propheten
als solche dort vorkommen, sondern nur in gewissen
Handlungen, die ihnen einen typischen Charakter geben,
wie Elias gen Himmel fahrend, Jonas vom Walliisch aus-
gespieen, Daniel in der Löwengrube.
Eben so wenig enthalten die altern Mosaiken, in
der ganzen grossen Reihenfolge, die seit dem vierten
1) Abgebildet bei Bouari T. I. p. 122.
von Böstell, Beschreib. Roms I. S.
Die obige Erklärung ist
415.