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Erythräerin und schaamlos nennen, wenn aber alles er-
füllt sei, werde man sie als des grossen Gottes Prophetin
erkennen. Dagegen nennt Kaiser Constantin 1) bei
Anführung des (erst zu Anfang des vierten Jahrhunderts
gebildeten) Akrostichs, jetzt im achten Buch (v. 216-249)
als Verfasserin ebenfalls die Erythräische Sibylle, welche
von sich sage, dass sie in der sechsten Generation nach
der Sündfluth lebe, eine Priesterin des Apollo. Um dieses
Akrostichs willen, dessen Verse mit Buchstaben anfangen,
die zusammengestellt den Sinn geben: „Jesus Christus,
Sohn Gottes, Heiland, Kreuz" sagt auch Augustinus 2),
indem er dasselbe in lateinischer Uebersetzung mittheilt,
die Erythräische Sibylle habe einiges deutlich von Christus
geschrieben. Zugleich erklärt derselbe, diese Sibylle, sei
es die Erythräische oder, wie andere lieber wollen, die
Cumäische 3) habe in ihrem ganzen Gedicht, wovon das
Akrostich nur ein kleiner Theil, so gar nichts, was auf
den Cultus der falschen Götter sich beziehe, ja sie streite
so wider dieselben und ihre Verehrer, dass sie zur Zahl
derer müsse gerechnet werden, die zum Reiche Gottes
gehören. Wiederum von zehn Sibyllen spricht Hiero-
nymus4), von denen er die Erythräische und Cumäische
namentlich erwähnt, wobei er rücksichtlich der Zahl auf
Varro sich beruft. Darauf hat Isidorus von Sevilla 636)
die Nachrichten von den zehn Sibyllen (welche Anzahl
von den gelehrtesten Schriftstellern überliefert werde)
Constantin. Orat. ad sanct. coet. c. 18. Bleek a. a. O.
S. 137. 240. und H. II. S. 221. 236.
2) Augustin. Civ. dei XVIII, 23.
5) Ausser diesen beiden nennt Augustin noch die Samische Sibylle.
Ihid. c. 24.
4) Hieronym. Adv. Jovinian. Lib. I. c. 41. Opp. T. II. p. 306.
ed. Vallars. in fol.