dem frommen Glauben an die Götter auch die edle Sitte
geschwunden war, gab die Kunst unreinen Motiven Raum
und trat so in Wechselwirkung mit der herrschenden Sitten-
losigkeit. Dadurch musste sie den Christen doppelt
abstossend erscheinen.
Erst als mit dem Fall der heidnischen Staats-
religion die Spannung gegen das Heidenthum nachliess,
gelangte man dazu, die Elemente der heidnischen Kunst
zu unterscheiden und die Kunst an sich von ihrer bis-
herigen Ausübung. Und wie nun im Sinne des Alterthums
ihr weniger mehr Aufgaben gestellt wurden, trat eine
neue Kunst hervor, aus dem Geist des Christenthums ge-
boren, eine neue Schöpfung eigenthümlicher Kunst-
übung, welche schon die Keime birgt, durch deren Ent-
wickelung gegen Ende des Mittelalters die höchste Blüthe
christlicher Kunst vorbereitet wurde.
Während aber von dieser Seite in der Entwickelung
der christlichen Kunst ein grosser Zusammenhang zwischen
Anfang und Vollendung sich zeigt, geben andererseits ihre
Anfänge zu erkennen, wie nicht bloss der Gegensatz gegen
heidnische Kunst und die Aneignung jüdischer Sinnesweise
unter den ersten Christen einen Kunsthass hervorgerufen
hat; sondern wie, ganz abgesehen von diesen Voraus-
setzungen, die Abwehr der Kunst in dem ersten Zeitalter
der Kirche auf positiv christlichem Grunde ruht.
Zu Anfang der christlichen Kirche nehmlich lassen
sich zwei Perioden unterscheiden: die erste bis in's vierte
Jahrhundert, in welcher die Kunst nur andeutend,
die folgende, in der sie darstellend sich verhielt; in jener
waren Symbole, in dieser Ereignisse der heiligen Ge-
schichte Gegenstand christlicher Sculptur und Malerei.
Aber noch in der zweiten, der darstellenden Periode
wiederholt sich derselbe Unterschied, indem für's Erste
noch die Punkte der heiligen Geschichte, welche die